Es kann in der gerichtlichen Praxis durchaus vorkommen, dass eine persönliche Nähebeziehung eines Richters zu einem Verfahrensbeteiligten oder dessen Prozessbevollmächtigten besteht. In einem solchen Fall drängt sich die Frage nach der Unvoreingenommenheit des Richters auf. Das maßgebliche prozessuale Instrument ist die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit.
Wegen Besorgnis der Befangenheit ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Nach dem Beschl. des BVerwG v. 12.10.2023 (10 C 4/22) ist es nicht notwendig, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Andererseits reiche die rein subjektive Vorstellung eines Beteiligten, der Richter werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven orientieren, nicht aus, wenn bei objektiver Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund für die Befürchtung ersichtlich sei. Die Besorgnis der Befangenheit sei gerechtfertigt, wenn aus der Sicht des Beteiligten hinreichend objektive Gründe vorlägen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gäben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
Das BVerwG differenziert bei der „Nähe” der persönlichen Beziehungen eines Richters zu einer Partei oder ihrem Prozessvertreter. Ob die Besorgnis der Befangenheit mit Rücksicht auf freundschaftliche Beziehungen gerechtfertigt sei, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend sei, ob nach Art und Gegenstand des Verfahrens und der sich daraus ergebenden Interessenlage vernünftigerweise befürchtet werden müsse, der Richter stehe aufgrund seiner persönlichen Beziehung zu einem Beteiligten oder dessen Prozessvertreter der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber.
Hinweis:
Im Regelfall reicht etwa eine bloße Bekanntschaft oder auch eine lockere Freundschaft nicht aus, um aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln; dagegen können über das übliche Maß persönlicher oder kollegialer Bekanntschaft hinausgehende freundschaftliche Beziehungen oder gar eine enge Freundschaft zwischen Richter und Partei Umstände sein, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen können. An die Qualität und Intensität eines als Ablehnungsgrund in Betracht kommenden Freundschaftsverhältnisses zu dem Prozessvertreter einer Partei sind höhere Anforderungen zu stellen als an ein solches Näheverhältnis zu einer Partei selbst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.6.2004 – 1 BvR 336/04, BVerfGK 3, 297, 98 ff. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 2.12.2015 – RiZ (R) 1/15, HFR 2016, 417 Rn 3 m.w.N.; BFH, Beschl. v. 5.9.2018 – XI R 45/17, BFH/NV 2019, 37 Rn 12 m.w.N.; OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.2012 – I-1 W 20/12, NJW-RR 2012, 1209 m.w.N.; OLG München, Beschl. v. 29.11.2018 – 28 W 1782/18, juris Rn 15; Zöller, ZPO, 2022, § 42 Rn 13).