1. Teilaufhebung eines Gebührenbescheids, soweit die ermessensfehlerhaft festgesetzte Gebühr den Mindestsatz des Gebührenrahmens übersteigt
Das BVerwG hat sich in seinem Beschl. v. 10.10.2023 mit der Frage befasst, ob Gebührenbescheide, die die Gebühr für eine Amtshandlung festsetzen, für die eine Rahmengebühr vorgesehen ist, im Falle ihrer Ermessensfehlerhaftigkeit insoweit teilweise aufgehoben werden dürfen, als die festgesetzte Gebühr die als Untergrenze des Gebührenrahmens festgelegte Mindestgebühr übersteigt (Beschl. v. 10.10.2023 – 9 B 18/23, BayVBl 2024, 174 f. = LKV 2024, 26 f.).
Es sei bei der Beantwortung der Frage zunächst von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO auszugehen, wonach das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt, soweit er rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt sei. Auf dieser Grundlage könne ein angefochtener Verwaltungsakt teilweise aufgehoben werden, wenn seine rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stünden. Der rechtswidrige Teil müsse in der Weise selbstständig abtrennbar sein, dass der Verwaltungsakt im Übrigen sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben könne. Da § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO dabei nicht nur gebundene Verwaltungsakte, sondern auch Verwaltungsakte betreffe, die im Ermessen der Behörde stünden, könne eine Teilaufhebung unter den genannten Voraussetzungen auch dann in Betracht kommen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt auf einer Ermessensentscheidung beruhe.
Vor diesem Hintergrund kommt nach dem BVerwG bei ermessensfehlerhafter Festsetzung von Verwaltungsgebühren, für die die Gebührenvorschriften eine Rahmengebühr vorsehen, grds. eine Teilaufhebung des Gebührenbescheids in Betracht, soweit die festgesetzte Gebühr die als Untergrenze des Gebührenrahmens festgelegte Mindestgebühr übersteigt und die verbleibende Gebührenfestsetzung in Höhe der zwingend festzusetzenden Mindestgebühr bei der gebotenen objektiven Auslegung dem Willen der Behörde entspricht.
2. Sondernutzungsgebühren für das Abstellen von im gewerblichen Verleihsystem angebotenen E-Scootern auf der öffentlichen Verkehrsfläche
Das OVG Münster hat sich der Frage gewidmet, ob die Nutzung der Straße durch das Abstellen von E-Scootern Gemeingebrauch (gebührenfrei) oder Sondernutzung mit einer entsprechenden Gebührenpflicht darstellt (Beschl. v. 26.10.2023 – 11 A 339/23, VkBl 2024, 16 = GewArch 2023, 501 ff. = KommJur 2023, 463 ff. = KStZ 2024, 14 ff. = NWVBl 2024, 76 ff.).
Hinweis:
Sondernutzung ist gem. § 18 Abs. 1 S. 1 StrWG NRW die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus. Nach der Legaldefinition des Gemeingebrauchs in § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NRW ist der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet. Nach § 14 Abs. 3 S. 1 StrWG NRW liegt kein Gemeingebrauch vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist.
Das OVG Münster hatte bereits zuvor entschieden, dass die Nutzung der öffentlichen Straße durch Abstellen von Mietfahrrädern Sondernutzung sei (Beschl. v. 20.11.2020 – 11 B 1459/20, NWVBl. 2021, 172). Es ist der Auffassung, dass für die Beurteilung, ob das Abstellen von E-Scootern, die im Rahmen des gewerblichen Verleihsystems stationsungebunden (sog. Free-Floating-System) auf der öffentlichen Straße angeboten werden, den Zweck des Verkehrs oder überwiegend andere Zwecken erfülle, dieselben Grundsätze gleichermaßen heranzuziehen sein dürften.
Hiernach erfolgt das stationsungebundene Abstellen bzw. Parken von Mietfahrrädern oder zugelassenen und betriebsbereiten Elektrokleinstfahrzeugen „bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände” nicht „einzig” zum Zwecke der späteren Wiederinbetriebnahme. Dieser Zweck ordne sich im Rahmen des Abstellvorgangs vielmehr dem – verkehrsfremden – Zweck unter, zuvor eine Vereinbarung (in digitaler Form) über die Anmietung des im öffentlichen Straßenraum abgestellten Fahrrads oder Fahrzeugs zu treffen, die ihrerseits überhaupt erst die spätere Inbetriebnahme ermögliche. Dieser dem Abstellvorgang innewohnende verkehrsfremde Zweck sei für den objektiven Beobachter auch ohne weiteres erkennbar. Die fraglichen Fahrzeuge seien – für jedermann sichtbar – mit technischen Vorrichtungen ausgestattet, welche einerseits ihre jederzeitige Inbetriebnahme ausschlössen, andererseits dem Interessenten die Möglichkeit eröffneten, das zuvor ausgewählte Fahrzeug internetbasiert freizuschalten, um es zu Verkehrszwecken zu nutzen. Die Ermöglichung einer internetbasierten Freischaltung sei dabei ersichtlich nicht in erster Linie einem Interesse des Vermieters geschuldet, das betreffende Fahrzeug Verkehrszwecken zuzuführen. Sie diene vielmehr dem vorrangigen geschäftlichen Interesse an der Erzielung von Umsatz, indem der Vermieter durch die technische Ausstattung des Fahrzeugs sicherstelle, dass seine Nutzung zu Verkehrszwecken im Ergebnis nur gegen Entgelt nach Abschluss einer Vereinbarung in digitaler Form erfolgen könne.