1. Dienstunfallschutz bei Verletzung eines Beamten durch einen körperlichen Angriff eines Kollegen nach scherzhafter oder provozierender Bemerkung
Der Kontakt unter den Kollegen in einer Dienststelle kann vielfältig sein. In der Regel beschränkt er sich auf rein dienstliche Belange im Rahmen der Sacharbeit. Er kann aber auch dienstabgewandt sein, wenn es etwa Meinungsverschiedenheiten mit körperlichem Kontakt gibt, die einen unmittelbaren dienstlichen Bezug nicht (mehr) aufweisen. In diesem Fall stellt sich bei Körperschäden die Frage, ob der hiervon Betroffene in den Genuss des aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn herzuleitenden Dienstunfallschutzes gelangt.
Hinweis:
Nach § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
Der Beantwortung dieser Frage hat sich das BVerwG angenommen (Urt. v. 13.7.2023 – 2 C 3/22, NVwZ-RR 2023, 1045 ff. = LKV 2023, 456 ff. = DVBl 2024, 175 ff. = PersV 2024, 77 ff.). Dabei geht es vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn aus, wobei dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zukommt. Der Beamte stehe bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereigneten, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichten, seien dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet habe, dienstlich geprägt sei. Eine Ausnahme gelte nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten sei oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderlaufe.
Das BVerwG hebt hervor, dass die Zuordnung von Verhaltensweisen unter Beamten während des Dienstes – wie etwa Scherze und „Neckereien” – stets von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig sei. Zwar spreche der räumliche, zeitliche und sachliche Zusammenhang hierbei grds. für eine Zuordnung der Geschehnisse zur Ausübung des Dienstes. Anderes gelte aber etwa, wenn das schädigende Ereignis nach den Umständen des Einzelfalls in einem dienstfremden Zusammenhang stehe (z.B. für eine tätliche Auseinandersetzung), wenn sich der Geschädigte dienstpflichtwidrig verhalte, das schädigende Ereignis selbst herbeigeführt oder sich aktiv an einer „Rauferei” beteiligt habe. In diesen Fällen seien etwaige Schäden nicht mehr vom Schutzzweck der Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn erfasst.
2. Nicht vorhandene Regelbeurteilung im Auswahlverfahren über eine Beförderung
Nicht jeder Dienstherr verfügt über ein intaktes Beurteilungssystem, welches bei der Besetzung von Beförderungsstellen zur Anwendung gelangt. Es kommt durchaus vor, dass trotz eines vorhandenen Beurteilungssystems die Beurteilung, vor allem die Regelbeurteilung in feststehenden Zeiträumen, unterlassen wird. Diese dem Dienstherrn zuzurechnenden Versäumnisse können sich in Stellenbesetzungsverfahren so auswirken, dass Stellenbewerber um ein Beförderungsamt aus dem Auswahlverfahren mit der Begründung ausgeschlossen werden, es fehle an belastbaren Erkenntnissen über die Qualifikation i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG.
Hinweis:
Auswahlentscheidungen bedürfen einer tragfähigen Grundlage. Eine Auswahlentscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Amtes muss den Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG genügen, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Der Grundsatz der Bestenauswahl vermittelt jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch; BVerfG, Beschl. v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15, BVerfGE 143, 22 Rn 18; BVerwG, Beschl. v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16, BVerwGE 157, 168 Rn 21). Der Vergleich unter den Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG hat – vor allem – anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen.
Nach Ansicht des BVerwG müssen dienstliche Beurteilungen eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung vermitteln (Beschl. v. 19.9.2023 – 2 VR 2/23, NVwZ-RR 2024, 153 ff. = IÖD 2024, 38 ff. = ZBR 2024, 133 f. = PersV 2024, 182 f.). Hierfür sei erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassten, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt seien, die Leistungen hinreichend differenziert darstellten sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhten. Die Einbeziehung von Bewerbern oder von Amts wegen zu betrachtenden Beamten in eine nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffende Auswahlentscheidung könne nur versagt werden, wenn normativ geregelte Voraussetzungen, insb. zu laufbahnrechtlichen Anforderungen und zur Beförderungsreife, oder behördlich in zulässiger Weise in einem Anforderungsprofil bestimmte zwingende Anforderungen fehlten. Andernfalls müsse die Auswahlbehörde die tatsächlichen Grundlagen für einen Vergleich der Bewerber schaffen, typischerweise durch Erstellung dienstlicher Be...