Mehr als die Hälfte der Verbraucher messen Fragen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit im Rahmen ihrer Kaufentscheidung eine hohe Bedeutung bei. Es verwundert daher nicht, dass die Rechtsprechung schon seit langem eine strenge Linie bei der Beurteilung der Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG im Zusammenhang mit umweltbezogener Werbung verfolgt (vgl. etwa BGH, GRUR 2014, 578 – Umweltengel; GRUR 1997, 666 – Umweltfreundliche Reinigungsmittel; GRUR 1996, 307 – Umweltfreundliches Bauen; GRUR 1991, 546 – Aus Altpapier), obgleich dem angesprochenen Verkehr – nach dem modernen europäischen Verbraucherleitbild ein durchschnittlich informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher (grundlegend EuGH, NJW 1998, 3183 Rn 31 – Gut Springenheide) – längst klar sein dürfte, dass eine absolute Umweltverträglichkeit kaum mit der Realität einhergeht.
Der BGH (Urt. v. 27.6.2024 – I ZR 98/23 – Katjes) hat jetzt entschieden, dass in einer Werbung mit dem Attribut „klimaneutral” zwecks Vermeidung einer Irreführung aber schon in der Werbeaussage selbst (d.h. nicht außerhalb der umweltbezogenen Werbung) erläuternd klargestellt werden muss, ob dieser mehrdeutige Begriff mit „CO2-Neutralität” (einzelner Produkte oder eines gesamten Unternehmens) gleichzusetzen ist – und wenn dies der Fall sein sollte, ob der Begriff sich auf eine CO2-Reduktion im Produktionsprozess selbst oder auf eine bloße CO2-Kompensation im Rahmen der Unterstützung von Klimaschutzprojekten durch das werbende Unternehmen bezieht. Steht also bloß eine ausgeglichene CO2-Bilanz in Rede, die auch durch Kompensationsmaßnahmen realisiert werden kann?
Obwohl bis zum Redaktionsschluss nur eine Pressemitteilung des Gerichts vorlag, steht schon fest, dass die Entscheidung des BGH erhebliche Konsequenzen für eine umweltbezogene Produkt- oder Unternehmenswerbung zeitigen wird. Bereits auf der Grundlage der Pressemitteilung lassen sich jedoch einige kritische Feststellungen treffen.
Die Werbeaussage – „Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral” – begründet nach Ansicht des BGH einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG, weil der eigentliche Herstellungsprozess der Produkte bei Katjes selbst sich tatsächlich nicht klimaneutral vollzieht, sondern das Unternehmen stattdessen (CO2-kompensierende) Klimaschutzprojekte eines Drittunternehmens (climatepartner.com) unterstützt.
Wenn die aktuelle Entscheidung selbstverständlich auch kein „Rollback” zum tradierten, bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts vorherrschenden Leitbilds eines „flüchtigen Verbrauchers”, d.h. eines „[...] unmündigen, einer umfassenden Betreuung bedürftigen, hilflosen Verbrauchers, der auch noch gegen die kleinste Gefahr der Irreführung durch die Werbung geschützt werden muss” (Emmerich, FS für Gernhuber, 1993, 857, 870), vollzieht und auch die bisherige Judikatur fortführt, hinterlässt sie doch Irritationen. Und zwar weniger wegen des Ergebnisses, sondern ob der Begründung: Zum einen deshalb, weil der BGH ausdrücklich eine Parallele zwischen umwelt- und gesundheitsbezogener Werbung zieht. In beiden Bereichen sei die Irreführungsgefahr besonders groß. Und zum anderen, weil die Werbung in einer Fachzeitschrift der Lebensmittelbranche („Lebensmittelzeitung”), die sicherlich nicht zur Tageslektüre des Laienpublikums zählt, erfolgt war. Unmittelbarer Werbeadressat war also nicht das Laien-, sondern das Fachpublikum. Der BGH glaubt, im konkreten Fall Fach- (Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG) und Laienpublikum (Verbraucher i.S.v. § 2 Abs. 2 UWG i.V.m. § 13 BGB) undifferenziert gleichsetzen zu können. Dieser Umstand fehlender Unterscheidung wird evident, wenn der BGH in Bezug auf die „wettbewerbliche Relevanz” des Werbeverhaltens allein auf die Kaufentscheidung der Verbraucher rekurriert, für welche die Irreführung von erheblicher Bedeutung sei.
Es wäre hilfreich, wenn der BGH in seinen Urteilsgründen die kritisch beleuchteten Problempunkte noch präzisieren würde. Vor allem, ob die Voraussetzungen einer Umweltwerbung tatsächlich jenen der Gesundheitswerbung angeglichen werden sollen – allein aus dem Umstand heraus, wie es das OLG Bremen (MD 2023, 676) schon einmal formuliert hat, dass auch Umweltwerbung die menschliche Emotionalität und damit eine weite Spanne zwischen Sorgen um die persönliche Gesundheit bis zur Generationengerechtigkeit adressiere. Eine restriktive Umweltwerbung mag im Trend der Zeit liegen. Gleichwohl geht eine Gleichstellung von Umweltwerbung mit Gesundheitswerbung auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Wirtschaftswerbung Verfassungsschutz genießt, fehl. Eine Regulierung der Umweltwerbung berührt allein kommerzielle Interessen, wohingegen Restriktionen der Gesundheitswerbung dem Schutz eines übergeordneten hohen Rechtsguts, nämlich sowohl dem Schutz individueller Gesundheitsinteressen (Beeinflussbarkeit des Laien, vielleicht schon Erkrankten, im Hinblick auf das besonders sensible Schutzgut Gesundheit) als auch dem S...