Herr Range ist nicht der erste Generalbundesanwalt, der in den vorzeitigen Ruhestand entlassen worden ist. Aber er ist der erste, der gehen musste, weil er das Legalitätsprinzip beachtet hat.
Die vom Generalbundesanwalt geleitete Bundesanwaltschaft beim BGH ist dem Bundesjustizminister unterstellt, §§ 142 ff. GVG. § 147 Nr. 1 GVG regelt die Dienstaufsicht, die aktuell unter dem Stichwort "externes Weisungsrecht" diskutiert wird. In die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fällt u.a. die Verfolgung von Straftaten, für die in der 1. Instanz die Oberlandesgerichte zuständig sind. Hierzu gehört der Landesverrat, § 120 Abs. 1 Nr. 3 GVG. Der Generalbundesanwalt ist politischer Beamter und kann vom Bundespräsidenten jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, § 54 Abs. 1 Nr. 5 BBG.
Die allgemeinen Grundsätze des Strafverfahrensrechts gelten natürlich auch für den Generalbundesanwalt. Er ist Staatsanwalt. Nach dem Legalitätsprinzip ist die Staatsanwaltschaft grundsätzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbarer Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, § 152 Abs. 2 StPO. Ein Ermittlungsverfahren ist gegen jeden einzuleiten, bei dem diese Verdachtslage besteht. Das Legalitätsprinzip ist elementarer Bestandteil des Rechtsstaats, weil es die Gleichbehandlung aller Betroffenen absichert und Willkürentscheidungen vorbeugt.
Bis auf wenige, hier nicht in Betracht kommende Fälle ist die Aufnahme von Ermittlungen nur dann nicht verpflichtend vorgeschrieben, wenn es an jeglichen Anknüpfungspunkten für ein strafbares Verhalten fehlt. Anzeigeerstatter war hier der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Man darf annehmen, dass dessen Vortrag den Generalbundesanwalt zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtete. Jedes andere Verhalten hätte den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt begründet, § 258a StGB.
Harald Range hat sich also verhalten, wie er sich verhalten musste. Er hat im Rahmen der Ermittlungen ein externes Gutachten eingeholt. Auch damit war er angesichts der absehbaren Brisanz des Ermittlungsverfahrens gut beraten. Nun ist der Gutachter offenbar zu einem Ergebnis gekommen, das vor allem den Vorstellungen der Presse widersprach und Range den Vorwurf, er greife die Pressefreiheit an, eingebracht hat. Solange dieses Gutachten nicht veröffentlicht ist, lässt sich über dessen Qualität nichts sagen. Womöglich hätte man hierüber streiten können. Das ist aber nicht der entscheidende Punkt.
Auf eine solche Diskussion wollte es der Bundesjustizminister gar nicht erst ankommen lassen. Er ließ, wie es in der Presse übereinstimmend heißt, dieses externe Gutachten "durch eine Stellungnahme des Ministeriums ersetzen".
Der Vorgang ist skandalös. Zwar bekleidet der Generalbundesanwalt ein Amt, zu dessen Ausübung nach beamtenrechtlichen Maßstäben gem. § 30 Abs. 1 BeamtStG die fortdauernde Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung erforderlich ist. Darum ging es hier jedoch nicht. Es waren offensichtlich keinerlei rechtspolitische Grundsätze im Streit, sondern die Behandlung eines konkreten Einzelfalls bei Beachtung der von niemandem angezweifelten Pressefreiheit. Der Generalbundesanwalt ist in einer Rechtssache gehindert worden, unabhängigen Rechtsrat einzuholen, weil das Ergebnis offenbar nicht "stimmte". Aktenbestandteil ist auf diese Weise nicht ein externes Gutachten, sondern die Stellungnahme des Ministeriums geworden.
Der "Fall Maas" zeigt überdeutlich, dass die Unabhängigkeit der Justiz vor allem dann von allen als hohes Gut gepriesen wird, wenn sie einem in den Kram passt.
Natürlich besitzen Staatsanwälte nicht das gleiche Recht auf Unabhängigkeit wie Richter. Ihre Tätigkeit ist keine Rechtsprechung. Staatsanwälte sind aber auch keine in eine Verwaltungshierarchie eingebundenen Beamten. Sie bewegen sich ein Stück weit neben der klas-sischen Gewaltenteilung. Mit den Worten des BGH: Staatsanwälte sind den Gerichten gleichgeordnete Organe der Rechtspflege.
Auch ihrem Selbstverständnis nach gehören Staatsanwälte zur Judikative. So werden sie auch von Richtern und Rechtsanwälten gesehen. Diesem Selbstverständnis und dem Ansehen aller Staatsanwälte hat Bundesjustizminister Maas durch das hier öffentlichkeitswirksam statuierte Exempel eines willkürlichen, von politischer Nützlichkeit geprägten Eingriffs einen schweren Schlag versetzt. Hierfür hat schon der Schein politischer Einflussnahme ausgereicht. Bundesjustizminister Maas hat noch mehr getan: Er hat den Generalbundesanwalt in dessen originärem Arbeitsbereich als ermittelnden Staatsanwalt faktisch entmachtet und selbst entschieden. In brisanten Fällen wird man zukünftig stets fragen, ob diese oder jene Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach dem Motto "hinter ihnen steht einer" nicht in Wahrheit politisch motiviert ist.
Wenn sogar das Legalitätsprinzip der politischen Opportunität zum Opfer fällt, befinden wir uns bereits auf der schiefen Bahn. Der Bundesjustizminister hält sich zu...