1. Ausbildungsunterhalt/Gegenseitigkeitsverhältnis
Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer angemessenen Berufsausbildung steht aufseiten des unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes die Obliegenheit gegenüber, sie planvoll aufzunehmen, sich alsbald um einen Ausbildungsplatz zu bemühen, die Ausbildung mit Fleiß und Ernsthaftigkeit zu betreiben und sie mit der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden.
a) Zielstrebigkeit
Das OLG Saarbrücken (FamRZ 2015, 331) erörtert diese Grundsätze und die Zubilligung einer Orientierungsphase nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Es hebt hervor, dass der Auszubildende seine Obliegenheit sich um die Aufnahme einer Berufsausbildung zu bemühen, nicht dadurch erfüllt, dass er lediglich die Möglichkeit von Praktika nutzt, aber keine konkrete Berufsausbildung aufnimmt.
b) Verzögerung durch Kindesbetreuung
Hat dagegen die verzögerte Aufnahme der Berufsausbildung ihren Grund in der Geburt von Kindern und ihrer anschließenden Betreuung, so kann nach einer Entscheidung des OLG Jena (MDR 2015, 400 = FamRB 2015, 206 m. Hinw. Liceni-Kierstein; hier: Verzögerung von sieben Jahren nach der Geburt von vier Kindern) auch nach längerer Zeit noch ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bestehen. Das Gericht nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 2010, 444; 2011, 1560), wonach keine Obliegenheitsverletzung vorliegt, wenn sich das unterhaltsberechtigte Kind bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres der Betreuung eines eigenen Kindes widmet, anstatt eine Ausbildung aufzunehmen. Schwangerschaft und Geburt eines Kindes begründen kein vorwerfbares Verhalten der Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten.
c) Bestimmung der Eltern über Unterhalt durch Naturalleistungen
Gemäß § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB können die Eltern unter gebotener Rücksichtnahme auf die Belange eines unterhaltsberechtigten unverheirateten Kindes bestimmen, in welcher Art der Unterhalt gewährt werden soll. Erforderlich ist eine umfassende Würdigung der beiderseitigen Interessen. Das OLG Karlsruhe (MDR 2015, 401) weist darauf hin, dass die finanziellen Interessen der Eltern einen hohen Stellwert genießen, da die gesetzliche Regelung die Eltern vor einer wirtschaftlichen Überforderung durch lange Ausbildungszeiten und hohe Ausbildungskosten schützen will; sie ihnen insbesondere ermöglicht, den Unterhalt im Elternhaus durch Naturalleistungen zu gewähren. Besteht eine tiefgreifende, voraussichtlich nicht behebbare Entfremdung zwischen Kind und Eltern, wird dies in aller Regel nicht gerechtfertigt sein.
Auseinandersetzungen über Mithilfe und gegenseitige Rücksichtnahme im elterlichen Haushalt stellen aber lediglich typische Konflikte des familiären Zusammenlebens dar und rechtfertigen es allein noch nicht, die Bestimmung der Eltern, den Unterhalt in Form von Naturalleistungen zu gewähren, als unwirksam anzusehen.
2. Vertretungsberechtigung im Unterhaltsverfahren des Kindes
Leben die Eltern getrennt so ist gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, zur Wahrung der Interessen des minderjährigen Kindes bei Unterhaltsansprüchen gegenüber dem anderen Elternteil allein vertretungsberechtigt.
Die Frage, bei wem sich das Kind i.S.v. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB in Obhut befindet, richtet sich danach, bei wem von ihnen der deutliche Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, wer sich von ihnen vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert (vgl. BGH FamRZ 2007, 707). Nach Auffassung des OLG Karlsruhe (FamRZ 2015, 423) genügt es für die Annahme des Schwerpunktes der Betreuung bei einem zwei Jahre altem Kind, wenn auch bei hälftiger Aufteilung des Wochenendes zwischen den Eltern ein Elternteil das Kind 14 Stunden pro Tag betreut; dabei komme der Verteilung der Tageszeiten keine entscheidende Bedeutung zu.
a) Beistandschaft des Jugendamtes
Gemäß § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird das Jugendamt auf schriftlichen Antrag eines Elternteils Beistand des Kindes namentlich für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Leben die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern voneinander getrennt, so ist umstritten, ob das Kind seinen Unterhaltsanspruch gem. §§ 1712 ff. BGB im eigenen Namen, vertreten durch einen Beistand, geltend machen kann oder gem. § 1629 Abs. 3 BGB nicht das Kind, sondern der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Beteiligter im Unterhaltsverfahren ist. Das OLG Oldenburg (FamRZ 2014, 1652; so auch OLG Celle NJW-RR 2012, 1409; a.A. OLG Hamm FamRZ 2015, 422; OLG Schleswig FamRZ 2014, 1712 = NJW 2015, 359; OLG Stuttgart JAmt 2007, 403) hat sich der Auffassung angeschlossen, dass § 1629 Abs. 3 BGB nicht verdrängt wird, weil das Kind aus dem elterlichen Konflikt herausgehalten werden soll.
Hinweis:
Die kontrovers diskutierte Frage hat der BGH (FamRZ 2015, 130 m. Anm. Zorn = FuR 2015, 167 m. Bespr. Soyka = FuR 2015, 5 m. Hinw. Schwamb) jetzt dahin entschieden, dass auch bei getrennt lebenden, verheirateten und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern eine Vertretung des Kindes durch das Jugendamt zulässig ist.
b) Wechselmodell
Wenn sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln lässt, weil die Eltern das sog. Wechselmodell praktizieren, kommt entweder die Bestellu...