Die Schlagzeile könnte aus einem Hollywood-Film entstammen: Middelhoff lässt sich scheiden. Rettet dieser Schachzug seine letzten Millionen? In dieser oder ähnlicher Form berichteten verschiedene Medien über die Einreichung des Scheidungsantrags von Cornelie Middelhoff. Der Ex-Arcandor-Chef, Thomas Middelhoff, befindet sich seit einiger Zeit im Insolvenzverfahren und offenbar hat seine Ehefrau die Scheidung beantragt. Die Aufregung im Blätterwald ist Grund genug, die Sache juristisch zu beleuchten und die Frage zu beantworten, ob unser Insolvenz- und Familienrecht wirklich derartige Schachzüge in dem dargestellten Sinne honoriert.
Wie immer, wenn das Insolvenzrecht eine Schnittstelle zu anderen Rechtsgebieten aufweist, wird es spannend und unübersichtlich. Stark ausgeprägt ist dieses Spannungsfeld zum Steuerrecht. Der Fall Middelhoff zeigt das Spannungsfeld des Insolvenzrechts zum Familienrecht auf. Klar ist, dass Middelhoff wohl kaum „seine“ letzten Millionen durch eine Scheidung vor dem Insolvenzverwalter retten kann. Dies gilt sicher für die Millionen, die ihm gehören, wobei es sehr unwahrscheinlich ist, dass ihm noch Millionen „gehören“. Denn das gesamte Vermögen Middelhoffs ist durch den Insolvenzverwalter in Beschlag genommen und gehört fortan wirtschaftlich den Gläubigern. Der Insolvenzverwalter wird sein Bestes tun, das gesamte Vermögen Middelhoffs aufzuspüren und es an die Gläubiger verteilen – nach nach den Regeln, die die Insolvenzordnung dafür vorsieht. Anhaltspunkte dafür, dass Middelhoff Millionen vor dem Verwalter verbergen konnte, liegen nicht vor. Eine Scheidung würde dabei aber auch nicht helfen. Im Ergebnis wird das Insolvenzverfahren so enden, dass den Gläubigern eine Insolvenzquote ausgezahlt wird. Dies wiederum würde bedeuten, dass nicht alle Forderungen befriedigt werden können. Middelhoff würde nichts, mithin keine Millionen mehr haben; ein bitteres Ergebnis nach einem langen Berufsleben. Erst bei einer Befriedigung der Gläubiger zu 100 % kämen Zahlungen des Insolvenzverwalters an Middelhoff in Betracht; eine kaum realistische Fallgestaltung.
Weniger eindeutig ist die Antwort bei Betrachtung der Situation des Vermögens von Cornelie Middelhoff. Leben die Eheleute, wie hier berichtet, in Zugewinngemeinschaft bestehen getrennte Vermögensmassen, aber auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags wird der Zugewinnausgleichsanspruch ermittelt. Der Zugewinn wird hälftig ausgeglichen und könnte in die Insolvenzmasse fallen. Insolvenzrechtlicher Knackpunkt ist die Regelung des § 852 Abs. 2 ZPO, wonach der Zugewinnausgleichsanspruch erst mit vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit pfändbar wird. Nur pfändbares Vermögen fällt in die Insolvenzmasse. Cornelie Middelhoff hätte also durch Stellung des Scheidungsantrags die Pfändbarkeit eines eventuellen Zugewinnausgleichsanspruchs und damit die Massezugehörigkeit herbeigeführt. Ein Schachzug, mit dem Millionen vor dem Insolvenzverwalter beschützt werden sollen, sieht anders aus. Die Stellung des Scheidungsantrags gibt den Gläubigern überhaupt erst das Recht, etwas zur Masse zu verlangen. Es dürfte im Übrigen sehr wahrscheinlich sein, dass der Zugewinn von Frau Middelhoff während der Ehe größer gewesen ist als der des Herrn Middelhoff, denn dessen Vermögen ist ohne eine 100 %-tige Befriedigung der Gläubiger nicht mehr existent. Der Scheidungsantrag hat damit u.U. eine Zahlungspflicht überhaupt erst entstehen lassen. Der Blätterwald mutmaßt als Motiv für die Scheidung die Millionenklage gegen eine Kölner Bank. Grundsätzlich könnten erfolgreich geltend gemachte Schadensersatzansprüche im Rahmen eines Zugewinnausgleichsanspruchs ausgleichspflichtig sein. Aber auch insoweit stellt der Scheidungsantrag keinen Schachzug zur Rettung von Millionen dar. Denn dieser Anspruch gegen die Kölner Bank wäre ja bereits vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags entstanden und würde den Zugewinn von Frau Middelhoff und damit ihre Zahlungspflicht erhöhen. Der Insolvenzverwalter äußerte sich überzeugt davon, dass Herr Middelhoff Erstattungsansprüche gegen seine Ehefrau habe und die Gläubiger gleichbehandelt werden müssten. Die Gleichbehandlung der Gläubiger führt ein Insolvenzverwalter gemeinhin dann ins Feld, wenn er Insolvenzanfechtungsansprüche geltend macht. Sollten also solche Ansprüche gegen Frau Middelhoff bestehen, wäre ihr zu raten, entsprechende Ansprüche als Negativposten in die Zugewinnberechnung einzustellen, denn Insolvenzanfechtungsansprüche entstehen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Augenscheinlich ist das Insolvenzverfahren vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eröffnet worden, wodurch sie bei der Zugewinnberechnung berücksichtigungsfähig wären. Als ein Schachzug, Millionen zu retten, erscheint der Scheidungsantrag aber auch aus diesem Gesichtspunkt nicht.
Bleibt am Ende zu hoffen, dass der Blätterwald zukünftig das Thema ruhen lässt. Denn sowohl ein Scheidungsverfahren als auch ein Insolvenzverfahren sind nic...