Eine Expertenkommission, welche vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts eingesetzt worden war, fordert zahlreiche Änderungen auf diesem Rechtsgebiet. In ihrem Abschlussbericht, der Mitte Juli vorgelegt wurde, führt die Kommission aus, dass die neuesten Änderungen unzureichend sind. Die Experten fordern umfangreiche Nachbesserungen, u.a. auch die Überarbeitung der jüngsten Reform, mit der das Prinzip "Nein heißt Nein" festgeschrieben wurde (vgl. dazu zuletzt ZAP Anwaltsmagazin 23/2016, S. 1206).
Im Jahr 2015 hatte Bundesjustizminister Heiko Maas die Kommission, bestehend aus zwölf Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Gesetzgebung und Praxis, damit beauftragt, den 13. Abschnitt des StGB, das sog. Sexualstrafrecht, auf Reformbedarf und Verbesserungsmöglichkeiten zu überprüfen. Die Kommission hatte in der Folge u.a. 15 weitere Sachverständige (darunter die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Psychologen und Psychiater) angehört. Nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht wurden von der Politik allerdings eilig Nachbesserungen im Sexualstrafrecht vorangetrieben, ohne zuvor das Votum der Experten abzuwarten.
Diese legten ihren Abschlussbericht jetzt vor. Er enthält insgesamt 61 Empfehlungen, insbesondere zur
- Neustrukturierung des 13. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB,
- Auflösung von Wertungswidersprüchen z.B. bei Schutzaltersgrenzen und Strafrahmen,
- Erweiterung der Strafbarkeit und damit zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes (u.a. bei den Missbrauchstatbeständen in §§ 174a, 174c, 176 und 176a StGB),
- Streichung überholter Straftatbestände (u.a. Kuppeleiverbot aus § 180 Abs. 1 StGB),
- Modernisierung von Straftatbeständen insbesondere bei den Pornografiedelikten im Hinblick auf die modernen Kommunikationsmittel und
- Neufassung oder Zusammenfassung von Straftatbeständen (u.a. für die Prostitutionsdelikte).
Mit diesen Empfehlungen will die Reformkommission eine Grundlage schaffen, die es erlaubt, das Sexualstrafrecht aus einem Guss neu zu gestalten. Eine solche grundlegende Überarbeitung des Sexualstrafrechts sei, so der Bericht, überfällig, nachdem die Vorschriften zum Schutz vor Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch viele, überwiegend punktuelle Änderungen "inkonsistent" geworden seien und mittlerweile zahlreiche Wertungswidersprüche aufwiesen. Bei der Vorstellung des Berichts wurde hervorgehoben, dass das derzeitige Sexualstrafrecht in wesentlichen Teilen noch aus den 1970er Jahren stammt.
Der umfangreiche, rund 1.400-seitige Abschlussbericht der Reformkommission kann auf der Internetseite des BMJV unter www.bmjv.de/reformkommission abgerufen werden.
[Quelle: BMJV]