1. Neustrukturierung
Bei den WpHG-Änderungen handelt es sich um die umfangreichsten Gesetzesänderungen, die das 2. FiMaNoG herbeiführt. Dabei ist das WpHG redaktionell überarbeitet und "zum Zwecke der besseren Übersichtlichkeit" hinsichtlich der Paragrafenfolge neu nummeriert worden (Gesetzentwurf, a.a.O., S. 3). WpHG-Normen sind gestrichen worden, soweit sich Regelungen künftig unmittelbar aus "MiFIR" bzw. Level-2-Bestimmungen ergeben. EU-(Durchführungs-)Verordnungen, die einen Großteil der Regulierung umfassen, sind unmittelbar anwendbar. Das WpHG ist künftig in 18 Abschnitte (statt 13) gegliedert. Der bisherige Abschnitt 6 (§§ 31 ff. WpGH a.F.) wird Abschnitt 11 (Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten, §§ 63 bis 96 WpHG). Dieser ist an die geänderten Verhaltens- und Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen entsprechend den Vorgaben von MiFID II angepasst worden (s. 2.) und bildet einen in praktischer Hinsicht, insbesondere unter Anlegerschutzgesichtspunkten, zentralen Schwerpunkt des Gesetzes.
Praxishinweis:
Soweit sich die Rechtslage im Einzelfall nicht allein aus dem WpHG ergibt, sind die einschlägigen Rechtstexte der nationalen bzw. EU-Regelwerke heranzuziehen. Die ausgestaltenden Rechtsakte der EU-Kommission sind insbesondere durch Verweise im WpHG berücksichtigt (Gesetzentwurf, a.a.O., S. 3). Aus dem nationalen Recht kann z.B. die Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) oder die Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (WpDPV), die ebenfalls angepasst werden, anzuwenden sein. Praktisch bedeutet dies, dass die weiteren einschlägigen Bestimmungen "neben" das WpHG "zu legen" sind.
2. Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten
a) Allgemeine Verhaltensregeln
aa) Konzeption, Vertrieb von Finanzinstrumenten
Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss sicherstellen, dass die Ausgestaltung von Finanzinstrumenten (z.B. Wertpapieren, Anteilen an Investmentvermögen, § 2 Abs. 4 Nr. 1, 2 WpHG) den Bedürfnissen des Zielmarktes i.S.d. § 80 Abs. 9 WpHG entspricht, der im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens festgelegt wurde, und die Vertriebsstrategie mit dem Zielmarkt vereinbar ist (§ 63 Abs. 4 S. 1 WpHG). Es muss ferner die Vereinbarkeit mit den Kundenbedürfnissen beurteilen und sicherstellen, dass es Finanzinstrumente nur anbietet, wenn dies im Kundeninteresse liegt (§ 63 Abs. 5 S. 2 WpHG).
bb) Informationspflichten zu Kosten
Die aus Kauf bzw. Verkauf eines Finanzinstruments resultierenden Kosten und Nebenkosten sind für den Anleger nachvollziehbarer aufzuschlüsseln. § 63 Abs. 7 WpHG normiert entsprechende Vorgaben (s. auch Absatz 12 S. 1, 2, 4).
cc) Informationspflichten bei Querverkäufen
Werden gebündelte Pakete von Produkten oder Dienstleistungen (sog. Querverkäufe) angeboten – darin liegt "eine übliche Strategie für Anbieter von Finanzdienstleistungen für Privatkunden" (Gesetzentwurf, a.a.O., S. 234) – ist der Kunde darüber zu informieren, ob die einzelnen Bestandteile auch getrennt bezogen werden können; Kosten und Gebühren sind getrennt nachzuweisen (§ 63 Abs. 9 S. 1 WpHG).
b) Besondere Verhaltensregeln: Anlageberatung, Finanzportfolioverwaltung
aa) Funktion des § 64 WpHG
Die besonderen Verhaltensregeln für die Erbringung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§ 64 WpHG) ergänzen die allgemeinen Verhaltensregeln nach § 63 WpHG. Letztere gelten für alle Wertpapierdienstleistungen, auch bei Erbringung von Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, wobei Konkretisierungen in § 64 WpHG zu beachten sind (Gesetzentwurf, a.a.O., S. 234).
bb) Unabhängige Honorar-Anlageberatung
Wird Anlageberatung erbracht, ist der Kunde darüber zu informieren, ob diese unabhängig erbracht wird (unabhängige Honorar-Anlageberatung) oder nicht (§ 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG). Im Fall der unabhängigen Honorar-Anlageberatung dürfen keine nichtmonetären Zuwendungen von Dritten angenommen werden, monetäre sind an den Kunden auszukehren (§ 64 Abs. 5 S. 2, 4 WpHG).
cc) Standardisiertes Informationsblatt
Bei Anlageberatung von Privatkunden über Aktien, die an einem organisierten Markt gehandelt werden, kann anstelle des Informationsblatts nach § 64 Abs. 2 S. 1 WpHG ein standardisiertes Informationsblatt verwendet werden (§ 64 Abs. 2 S. 3 WpHG; Näheres wird durch Rechtsverordnung geregelt). Dieses "soll über den Typus der Aktien, die an organisierten Märkten gehandelt werden, insgesamt informieren und nicht für jeden Einzelwert erstellt werden" (Beschlussempfehlung, BT-Drucks 18/11775, S. 392). In diesem Fall müssen dem Kunden die Informationen über alle Kosten und Nebenkosten nach § 63 Abs. 7 S. 4 u. 5 WpHG unverlangt und unter Verwendung einer formalisierten Kostenaufstellung zur Verfügung gestellt werden (§ 63 Abs. 7 S. 10 WpHG). Dadurch soll die Kostentransparenz erhöht werden. Individuelle Informationsblätter für Aktien können ggf. weiter verwendet werden.
Hinweis:
Die Ausnahme gilt nur für Aktien, die an einem organisierten Markt gehandelt werden, nicht für alle anderen Aktien (etwa solche im Freiverkehr oder in anderen multilateralen oder organisierten Handelsplattformen; Beschlussempfehlung, a.a.O.).
dd) Geeignetheitserklärung
Das bisherige Beratungsprotokoll (§ 34 Abs. 2a WpHG a.F.), das entfällt, wird durch eine sog. Geeignetheitserklärung (§ 64 Abs. 4 S. 1 WpHG) ersetzt. Bei Anlageberatung ist dem Privatkunden vor Vertragsschluss eine Erklärung über die Geeign...