Entscheidend für die weitere Vorgehensweise ist, ob der Titel nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes weiter gilt. Von der Beantwortung dieser Frage ist abhängig, welche prozessualen Möglichkeiten bestehen:
- für den Unterhaltspflichtigen, der gegen eine weitere Vollstreckung vorgehen will und
- für den Unterhaltsberechtigten, der weiterhin Unterhalt erlangen und ggf. auch noch eine Erhöhung durchsetzen will.
Exkurs – Vergleichender Blick auf den Ehegattenunterhalt:
Beim Ehegattenunterhalt wird materiell-rechtlich und auch prozessual streng zwischen dem Trennungsunterhalt aus § 1361 BGB und dem Geschiedenenunterhalt nach Rechtskraft der Scheidung (Scheidungsunterhalt) nach §§ 1569 ff. BGB unterschieden:
- Trennungsunterhalt kann nur für den Zeitraum von der Trennung der Parteien bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils beansprucht werden.
- Geschiedenenunterhalt (Scheidungsunterhalt) ist dagegen ab Rechtskraft der Scheidung zu zahlen, wenn die besonderen Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1570 ff. BGB gegeben sind.
Beide Ansprüche sind rechtlich nicht identisch. Diese sog. Nichtidentität (BGH FamRZ 1980, 1089; FamRZ 1982, 244, 247; vgl. auch OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1200; OLG München FamRZ 2015, 2069) hat weitreichende praktische Auswirkungen:
- Eine für den Trennungsunterhalt erklärte Mahnung wirkt wegen der unterschiedlichen Streitgegenstände nicht automatisch auf den nachehelichen Unterhalt fort.
- Eine Mahnung wegen nachehelichen Unterhalts, die vor dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsanspruchs erfolgt, begründet keinen Verzug, weil noch kein fälliger gesetzlicher Anspruch vorliegt.
- Ein Unterhaltstitel, der über Trennungsunterhalt erlangt worden ist, endet i.d.R. automatisch mit der Rechtskraft der Scheidung.
Daraus ergeben sich einschneidende prozessuale Konsequenzen:
- Für den Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung benötigt der Unterhaltsberechtigte einen neuen Vollstreckungstitel.
- Wird dennoch weiter aus dem alten Titel für Zeiträume nach Rechtskraft der Scheidung vollstreckt, so kann der Unterhaltspflichtige dagegen mit dem Vollstreckungsgegenantrag nach § 767 ZPO i.V.m. § 113 FamFG vorgehen, weil der dem Titel zugrunde gelegte materiell-rechtliche Anspruch auf Trennungsunterhalt aus § 1361 BGB nach der Rechtskraft der Scheidung nicht mehr besteht. Die Zahlungspflicht endet dabei genau mit dem Tag der Rechtskraft des Scheidungsurteils, nicht mit dem Ablauf des Monats (BGH FamRZ 1988, 370, 372; BGH FamRZ 1984, 265).
- Die gerichtliche Entscheidung über den Trennungsunterhalt muss folglich nach Rechtskraft der Scheidung nicht im Wege des Abänderungsverfahrens gem. § 238 FamFG abgeändert werden.
- Die in § 1580 S. 2 BGB i.V.m. § 1605 Abs. 2 BGB vorgesehene Sperrfrist von zwei Jahren zur Geltendmachung des Auskunfts- und Beleganspruchs besteht nicht, wenn sich die erstmalige Geltendmachung auf den Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 BGB bezog, danach aber Auskunft und Belegvorlage hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts verlangt wird, weil die jeweils zugrunde liegenden materiellen Ansprüche nicht identisch sind (OLG München FamRZ 2015, 2069; OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1200). Diente die erste Auskunft der Berechnung des Trennungsunterhalts, muss die Zwei-Jahres-Frist für eine Auskunft zum nachehelichen Unterhalt nicht beachtet werden, weil die Ansprüche nicht identisch sind (OLG München FamRZ 2015, 2069; OLG Hamm FamRZ 1996, 868; OLG Hamm FamRZ 2004, 377; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1038).
Beim Kindesunterhalt entsteht jedoch keine Zäsur mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit. Der Unterhaltsanspruch im Verwandtenunterhalt ist zeitlich nicht begrenzt (s. Götz, Unterhalt für volljährige Kinder – Überlegungen zu einer Reform des Verwandtenunterhalts, 2007, S. 165, zu den rechtspolitischen Überlegungen einer gesetzlich definierten zeitlichen Begrenzung des Volljährigenunterhalts s. S. 181 ff.). Folglich beginnt der Unterhaltsanspruch des Kindes mit der Geburt und besteht dem Grunde nach lebenslang (BGH FamRZ 1984, 682 f.; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 1999, 676, 677; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 907; OLG Hamm FuR 2007, 182). Er erlischt nicht automatisch bei Volljährigkeit oder wandelt sich in einen Anspruch mit einer anderen rechtlichen Grundlage um. Die Anspruchsgrundlage bleibt über den Zeitpunkt der Volljährigkeit hinaus identisch (BGH FamRZ 1984, 682; OLG Köln FamRZ 1995, 308).
Der Anspruch des volljährigen Kindes endet erst mit einer abgeschlossenen Ausbildung oder wenn das Kind auf andere Weise eine eigenständige Lebensstellung erlangt hat (Endrich, in: Scholz-Stein, Praxishandbuch Familienrecht Teil I, Rn 25). Der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes ist also mit dem des volljährigen Kindes identisch.
Der zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes erlangte Titel gilt somit auch nach Eintritt der Volljährigkeit fort (BGH v. 7.12.2016 – XII ZB 422/15, FamRZ 2017, 370 mit Anm. Knittel).
Anders ist dies lediglich dann, wenn der Titel ausdrücklich auf die Zeit bis zur Volljährigkeit des Kind...