Auch hinsichtlich der Unterhaltsrückstände aus der Zeit der Minderjährigkeit ist nur noch das jetzt volljährige Kind berechtigt, nicht aber der Elternteil, der das Kind bisher vertreten hat (OLG Nürnberg FamRZ 2002, 407; OLG Koblenz FamRZ 2005, 993 für den Fall der Beendigung der Verfahrensstandschaft gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB durch Sorgerechtswechsel). Das gilt auch dann, wenn dieser Elternteil in der Vergangenheit den finanziellen Bedarf des Kindes sichergestellt hat, weil der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen oder nur zu geringen Unterhalt gezahlt hat.
Daraus ergeben sich für den bisher betreuenden Elternteil Probleme, denn dieser hat in der Vergangenheit nicht nur Betreuungsleistungen erbracht, sondern auch – quasi als Vorschuss auf den ausstehenden Unterhalt – noch eigene Geldmittel zur Versorgung des Kindes aufgewandt, die eigentlich der barunterhaltspflichtige andere Elternteil hätte zur Verfügung stellen müssen. Jetzt kann aber nur noch das Kind diese Unterhaltsrückstände gegen den zahlungspflichtigen Elternteil geltend machen und vollstrecken.
a) Abtretung der Ansprüche auf Unterhaltsrückstände aus der Zeit der Minderjährigkeit
Eine Lösung bietet die Möglichkeit, dass das volljährige Kind den Anspruch an den bisher betreuenden Elternteil abtritt (Seiler, in: Gerhard/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Kap. 6 Rn 420; Gerhardt, a.a.O., Kap. 6 Rn 1042). Das Abtretungsverbot der §§ 400 BGB, 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt in diesem Fall nicht (Gießler FamRZ 1994, 800; Gerhardt, a.a.O., Kap. 6 Rn 1047).
b) Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch
Dem Elternteil, der in der Vergangenheit das Kind unterhalten hat, bleibt noch der familienrechtliche Ausgleichsanspruch (dazu BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15; BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 45/15, FamRZ 2016, 1053 Rn 12 m.w.N.; OLG Nürnberg NJW 2013, 1101; OLG Hamm FamRZ 2011, 1407; OLG Köln FamRZ 2012, 574; ausführlich Götz FF 2013, 225; Reinken NJW 2013, 2993; Langheim FamRZ 2013, 1529; Volker FuR 2013, 550) gegen den anderen Elternteil. Der Ausgleichsanspruch findet seine Rechtfertigung in der gemeinsamen elterlichen Verantwortung für das Kind und der sich daraus ergebenden Sonderverbindung mit wechselseitigen Rechten und Pflichten beider Elternteile.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs sind:
- eine bestehende (vom Unterhaltsschuldner nicht erfüllte) Barunterhaltsverpflichtung des Ausgleichsverpflichteten gegenüber dem Kind,
- die Erbringung des Barunterhalts durch den ausgleichfordernden Elternteil und
- nach der Rechtsprechung des BGH zudem die von vornherein bestehende Absicht des betreuenden Elternteils, vom anderen Ersatz zu verlangen.
Bei den mit Hilfe des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geforderten Ersatzbeträgen handelt es sich wirtschaftlich gesehen um rückständige Unterhaltsleistungen, nämlich um Geldleistungen, die demjenigen zu erbringen sind, der die Unterhaltslast zunächst auf sich genommen hat. Daher besteht der Anspruch für die Vergangenheit nur in den Grenzen des § 1613 BGB. Der leistende Elternteil könnte den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch also erst ab seiner Aufforderung zur Auskunft über Einkünfte und Vermögen, ab Verzug oder ab Rechtshängigkeit beanspruchen. Sind solche rechtswahrenden Handlungen bisher nicht ergriffen, besteht jedenfalls für die vergangenen Zeiträume kein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch.
Der BGH hat bestätigt, dass der familienrechtliche Ausgleichsanspruch grundsätzlich für solche Fälle anerkannt ist, in denen ein Elternteil für den Unterhalt eines gemeinsamen Kindes aufgekommen ist und dadurch dessen Unterhaltsanspruch erfüllt hat, obwohl (auch) der andere Elternteil ganz oder teilweise unterhaltspflichtig war. Allerdings steht einem Elternteil, der eine ihm durch rechtskräftige Entscheidung auferlegte Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem gemeinsamen Kind erfüllt, kein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch auf – teilweise – Erstattung seiner Unterhaltszahlungen gegenüber dem anderen Elternteil zu (BGH v. 8.2.2017 – XII ZB 116/16 m.w.N.).
Denn der Unterhaltsverpflichtete, der an sein unterhaltsberechtigtes Kind jeweils die Unterhaltsbeträge gezahlt hat, zu deren Leistung er ihm gegenüber rechtskräftig verurteilt worden ist, ist nur seiner eigenen rechtskräftig festgestellten Unterhaltspflicht nachgekommen, hat aber nicht eine Verbindlichkeit erfüllt, die sich im Verhältnis gegenüber dem Kind als Verpflichtung des anderen Elternteils darstellt. Bei dieser Sachlage entspricht die Zubilligung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht dem Sinn und Zweck dieses Anspruchs. Der Ausgleichsanspruch ist nämlich nicht dazu bestimmt, gerichtlich festgesetzte Unterhaltsverpflichtungen, die auf einer Abwägung der Leistungsfähigkeit beider Eltern beruhen, durch "Ausgleich" von Unterhaltsanteilen im Verhältnis der Eltern zueinander abzuändern (BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 116/16 m.w.N.; BGH FamRZ 1994, 1102, 1103 f.; BGH FamRZ 1981, 761, 762).