Breiten Raum hat im Berichtszeitraum wieder die Rechtsprechung der Obergerichte zu den auch die Praxis beherrschenden Verkehrsstraftaten eingenommen.
1. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)
a) Reihenfolge des Sich-Entfernens
Ist es für die Erfüllung des Tatbestands des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB von Bedeutung, in welcher Reihenfolge sich die Unfallbeteiligten und feststellungsberechtigten Personen vom Unfallort entfernen? Diese Frage hat der BGH in seinem Beschluss vom 11.4.2018 (4 StR 583/17, NJW 2018, 2341 = VRR 7/2018, 3 [Ls.]) verneint. Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB sei vielmehr auch dann erfüllt, wenn der Täter den Unfallort erst nach der letzten feststellungsberechtigten Person verlässt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nach einem Verkehrsunfall, an dem neben dem Angeklagten noch zwei weitere Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, stellte der Angeklagte das von ihm geführte Fahrzeug am Straßenrand ab und kehrte zu Fuß zur Unfallstelle zurück. Dort gab er sich bewusst nicht als Unfallbeteiligter zu erkennen, sondern schilderte den zwischenzeitlich erschienenen Polizeibeamten, er habe den Unfall als am Fahrbahnrand befindlicher Fußgänger beobachtet. Er machte Angaben zum Unfallhergang, wobei er allerdings in seiner Schilderung des Geschehens seine eigene Unfallbeteiligung durch die eines vermeintlich unbekannten Fahrers ersetzte. Schließlich verließ der Angeklagte den Unfallort zu Fuß. Ob dies zu einem Zeitpunkt geschah, als noch Polizeibeamte vor Ort waren, oder ob er das Ende des Einsatzes abwartete und erst fortging, als keine andere Person mehr anwesend war, hat die Strafkammer nicht feststellen können. Jedenfalls hatte er bis zu diesem Zeitpunkt niemandem etwas von seiner Unfallbeteiligung mitgeteilt. Die Revision des Angeklagten hatte hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Erfolg.
Der BGH (a.a.O.) hatte keine Bedenken gegen die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dem stehe – so der BGH – nicht entgegen, dass die Strafkammer nicht auszuschließen vermocht hat, dass der Angeklagte den Unfallort erst zu einem Zeitpunkt verließ, als keine andere Person mehr vor Ort war. Die Frage sei in der Rechtsprechung der OLG umstritten. Nach einer vom OLG Hamm – allerdings bislang nicht tragend entschiedenen – und dem ganz überwiegenden Schrifttum vertretenen Auffassung ist der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch dann erfüllt, wenn der Täter den Unfallort erst nach der feststellungsberechtigten Person verlässt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat (vgl. OLG Hamm NJW 1979, 438; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 142 Rn 31a m.w.N.). Nach der dazu vertretenen Gegenansicht scheide in einer solchen Fallkonstellation hingegen eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB aus (vgl. u.a. BayObLG NJW 1983, 2039, 2040; NJW 1984, 66, 67; NJW 1984, 1365, 1366; OLG Frankfurt NJW 1990, 1189, 1190). Der BGH (a.a.O.) folgt dem OLG Hamm (a.a.O.) und begründet das insbesondere mit dem Wortlaut der Vorschrift: Der Wortlaut des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt nicht voraus, dass der Feststellungsberechtigte noch am Unfallort anwesend ist, wenn sich der Täter von dort entfernt. Die Vorschrift setze eine Verletzung der Vorstellungsplicht voraus, zu der – faktisch – ein Sich-Entfernen hinzukommen müsse. Hierfür sei es jedoch ohne Bedeutung, in welcher Reihenfolge die Unfallbeteiligten den Unfallort verlassen und ob der Täter im Zeitpunkt seines Sich-Entfernens die Pflicht noch gegenüber einer anwesenden Person hätte erfüllen können. Zudem folgt diese Sicht der Vorschrift nach Auffassung des BGH aus ihrer Entstehungsgeschichte, aus systematischen Erwägungen sowie aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Hinweis:
Dem BGH ist zuzustimmen. Es kann in der Tat für die Erfüllung des Tatbestands des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB keinen Unterschied machen, in welcher Reihenfolge sich die Unfallbeteiligten vom Unfallort entfernen. Das Schutzgut des § 142 StGB – Sicherung bzw. Abwehr der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche (vgl. BT-Drucks 7/2434, S. 4 f.; BGHSt 12, 253, 258) – ist auch dann betroffen, wenn sich der Täter erst nach der feststellungsberechtigten Person vom Unfallort entfernt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat. Gerade die Nichterfüllung der Vorstellungspflicht führt ja typischerweise dazu, dass sich der Feststellungsberechtigte entfernt, obwohl noch ein – ihm in dieser Eigenschaft allerdings nicht bekannter – anderer Unfallbeteiligter vor Ort ist.
b) Unfallflucht: Nicht feststellungswilliger Unfallbeteiligter
Eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) scheidet nicht allein deshalb aus, weil der Geschädigte aus plausiblen Gründen auf einer Unfallaufnahme durch die Polizei besteht und er seinerseits gegenüber dem warteunwilligen und sodann flüchtenden Fahrer keinen eigenen Versuch unternimmt, dessen Personalien zu erfragen. So hat das LG Saarbrücken in einem § 111a StPO-Verfahren entschieden (Beschl. v. 10.4.2018 – 8 Qs 5/18).
Nach dem Sachverhalt waren der Bes...