a) Allgemeines
Die Feststellung der Behinderung und des GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung (s. den folgenden Absatz) erfolgt auf Antrag bei den für die Durchführung des BVG örtlich zuständigen Behörden (§ 152 Abs. 1 S. 1 SGB IX), das sind die Versorgungsämter. Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend geregelt werden, siehe Satz 7 der Vorschrift. Der GdB bestimmt das Ausmaß der Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und wird nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, § 152 Abs. 1 S. 5 SGB IX. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 S. 6 SGB IX).
Auf Antrag kann gem. § 152 Abs. 1 S. 2 SGB IX festgestellt werden, dass ein GdB oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. Diese mit dem BTHG eingeführte Ergänzung greift bereits höchstrichterlich entschiedene Fallgestaltungen auf, in denen ein besonderes Interesse etwa bejaht wurde, wenn bei rückwirkender Feststellung der Bezug einer abschlagsfreien Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht kam (BSG v. 29.11.2007 – B 13 R 44/07 R) oder wenn für die Vergangenheit konkrete Steuervorteile in Anspruch genommen werden und dies steuerrechtlich möglich ist (BSG, Urt. v. 16.2.2012 – B 9 SB 1/11 R, Rn 41 ff., hierzu Dau jurisPR-SozR 13/2012 Anm. 5, s. auch Bubeck/Sartorius ZAP F. 18, S. 912 f.). In der zuletzt genannten Entscheidung verweist das BSG hinsichtlich des Begriffs der Glaubhaftmachung zunächst auf § 294 ZPO. Die Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter einen geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit (im Vergleich zum Vollbeweis) vermitteln soll. Allerdings beinhaltet die normative Pflicht zur Glaubhaftmachung grundsätzlich auch die Verpflichtung der Antragsteller, alle notwendigen Tatsachen anzugeben und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Die Amtsermittlungspflicht (s. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB X, § 103 S. 1 SGG) setze erst dann ein, wenn die Antragsteller ihren Darlegungspflichten nachgekommen und die Wahrscheinlichkeit für den glaubhaft zu machenden Umstand dargetan haben, Rn 46 ff.
Hinweis:
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die (u.U. klageweise) zu erreichende Feststellung des GdB besteht jedenfalls bereits dann, wenn mit der Höhe des GdB allgemein Vorteile verbunden sind, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht konkretisiert werden müssen (BSG, Urt. v. 24.4.2008 – B 9/9a 8/06 R, Anm. Reyels jurisPR-SozR 7/2009, Anm. 9).
Wie bei der Gleichstellung (s.o. II.) steht Arbeitgebern gegen einen Bescheid, durch den Arbeitnehmer als schwerbehinderte Menschen anerkannt werden, kein Widerspruchs- bzw. Klagerecht zu (BSG, Urt. v. 22.10.1986 – 9a RVs 3/84, NJW 1987, 2462).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellt die zuständige Behörde aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis aus (Einzelheiten hierzu regelt die Schwerbehindertenausweisverordnung – SchwbAwV – v. 25.6.1991, BGBl I S. 1739, zuletzt geändert durch Art. 18 Abs. 3, Art. 19 Abs. 20 BTHG v. 23.12.2016, BGBl I S. 3234) über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung und, wenn weitere gesundheitliche Merkmale als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen vorliegen, solche gesundheitliche Merkmale, § 152 Abs. 5 S. 1 SGB IX. Nach Satz 3 der Vorschrift soll die Gültigkeitsdauer des Ausweises befristet werden, obwohl der zugrunde liegende Feststellungsbescheid idR nicht befristet ist; zum nachgehenden Schutz für schwerbehinderte Menschen s. § 199 Abs. 1 Hs. 2 SGB IX und unten V 4. Einzelheiten zur Dauer der Befristung und zu Sachverhalten, bei denen wegen der gesundheitlichen Verhältnisse von einer Befristung abgesehen werden kann, regelt § 6 Abs. 2 SchwbAwV.
b) Medizinische Bewertung
Im Mittelpunkt des Verwaltungsverfahrens steht regelmäßig die Bewertung der festgestellten Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen durch die vom Versorgungsamt beauftragten Ärzte. Das SGB IX stellt hierfür kein Bewertungssystem zur Verfügung.
Bis Ende 2008 nahm die Versorgungsverwaltung Rückgriff auf die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, herausgegeben vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung), um die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen festzustellen. Die AHP erläuterten die Festsetzung des GdB (ebenso den Grad der Schädigungsfolgen – GdS – nach dem Entschädigungsrecht), des Gesamt-GdB und enthielt Tabellen, in denen Gesundheits- bzw. Funktionsstörungen bestimmten GdB/GdS-Sätzen zugerechnet werden. Sie beinhalteten ferner Angaben zur Feststellung der gesundheitlichen Merkmale, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind.
Das BSG betrachtet die AHP als antizipierte Sachverständigengutachten, denen zwar an sich keine Normqualität zukommt, die sich in der Verwaltungspraxis jedoch normähnlich auswir...