§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX in der Fassung durch das BTHG definiert seit dem 1.1.2018 (s. hierzu Siefert, ZAP F. 18, S. 1571 ff., 1580 f.): Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können. Nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung waren Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensjahr typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bereits diese Definition beschränkte den Begriff der Behinderung nicht auf den regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand als solchen, sondern bezieht die Auswirkungen der Behinderung auf alle Lebensbereiche (nicht nur im Erwerbsleben) mit ein. So hat das BSG bereits früh bei einem Salmonellenausscheider unter Hinweis auf die Einschränkung der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt und der Bewegungsfreiheit in der Gesellschaft die Schwerbehinderteneigenschaft bejaht, obwohl die zugrunde liegende körperliche Regelwidrigkeit an sich nur geringfügig war (BSG, Urt. v. 9.10.1987 – 9a RVs 5/86, BSGE 62, 209).
Der Gesetzgeber hat nunmehr ab dem 1.1.2018 den Begriff dem Verständnis der UN-BRK (Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Gesetz vom 21.12.2008, BGBl II, S. 1419, in Deutschland in Kraft seit dem 26.3.2009, BGBl II 2009, S. 812 und seitdem bei der Auslegung des § 2 Abs. 1 SGB IX bereits Rechnung zu tragen, siehe etwa BSG 23.7.2014 – B 8 SO 14/13 R und die unten in Ziff. 3, III 3a "Hinweis" angegebenen weiteren Entscheidungen des BSG; s. weiter die vom Deutschen Institut für Menschenrechte herausgegebene Broschüre: Menschenrechte in der sozialgerichtlichen Praxis) angepasst. Angeknüpft wird nicht ausschließlich an der funktionellen Beeinträchtigung des Menschen und die dadurch verursachte Einschränkung, sondern er bezieht die Wechselwirkung von limitierenden Umwelt- bzw. personenbedingten Faktoren in das Begriffsverständnis mit ein (s. Art. 1 UN-BRK). Damit ist der Begriff nicht statisch, sondern im Hinblick auf die jeweiligen Wechselwirkungen dynamisch ausgestaltet. Zu solchen umweltbedingten Barrieren gehören etwa (s. Siefert a.a.O., S. 1580) fehlende barrierefreie Zugänge zu Gebäuden oder dem öffentlichen Personennahverkehr oder für Menschen mit einer Lernschwierigkeit fehlende Informationen in leichter Sprache.
Weiterhin statuiert § 2 Abs. 1 S. 2 SGB IX das Erfordernis, dass die körperliche oder geistige Beeinträchtigung von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber den Kreis behinderter Menschen begrenzen. Da der typische Gesundheitszustand weder statistisch noch normativ leicht festzustellen ist, erscheint der Altersbezug schwer zu operationalisieren, (s. Welti in StichwortKom Behindertenrecht, Nr. 26 Rn 19).