Die nachfolgenden Ausführungen betreffen die verwaltungsmäßige Feststellung der Behinderungen mit der Bestimmung des GdB (§ 152 Abs. 1 SGB IX), das Festlegen des Gesamt-GdB (§ 152 Abs. 3 SGB IX) und die Ermittlung von weiteren gesundheitlichen Merkmalen, die für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bestimmend sind (§ 152 Abs. 4, hierzu unten 3.).
Hinweis:
Ein grundsätzliches Verbot für die Feststellung des GdB (um einen doppelten Verwaltungsaufwand zu vermeiden) enthält § 152 Abs. 2 S. 1 SGB IX für den Fall, dass eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid – in Betracht kommen vor allem solche nach dem SGB VII (s. weitere Beispiele bei Dau in LPK-SGB IX, 5. Aufl. 3 § 152 Rn 33) – einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidung zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn der behinderte Mensch macht ein Interesse an anderweitiger Feststellung nach Abs. 1 glaubhaft (zur Glaubhaftmachung s. sogleich 1 a), 2. Abs.). Trotz GdS-Feststellung nach Versorgungsrecht oder MdE-Feststellung nach Unfallversicherungsrecht ist etwa eine Feststellung nach § 152 Abs. 1 SGB IX auf Antrag durchzuführen, wenn zusätzlich schädigungsunabhängige oder unfallfremde Beeinträchtigungen in die Gesamtbewertung einzubeziehen sind (s. BSG, Urt. v. 5.7.2007 – B 9/9a SB 12/06 R, Rn 13 ff., s. hierzu Wagner jurisPR-SozR 22/2007 Anm. 4).
Greift Satz 1 der Vorschrift ein, so gilt nach Satz 2 der MdE-Grad zugleich als GdB.
1. Feststellung der Behinderung(en)
a) Allgemeines
Die Feststellung der Behinderung und des GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung (s. den folgenden Absatz) erfolgt auf Antrag bei den für die Durchführung des BVG örtlich zuständigen Behörden (§ 152 Abs. 1 S. 1 SGB IX), das sind die Versorgungsämter. Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend geregelt werden, siehe Satz 7 der Vorschrift. Der GdB bestimmt das Ausmaß der Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und wird nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, § 152 Abs. 1 S. 5 SGB IX. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 S. 6 SGB IX).
Auf Antrag kann gem. § 152 Abs. 1 S. 2 SGB IX festgestellt werden, dass ein GdB oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. Diese mit dem BTHG eingeführte Ergänzung greift bereits höchstrichterlich entschiedene Fallgestaltungen auf, in denen ein besonderes Interesse etwa bejaht wurde, wenn bei rückwirkender Feststellung der Bezug einer abschlagsfreien Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht kam (BSG v. 29.11.2007 – B 13 R 44/07 R) oder wenn für die Vergangenheit konkrete Steuervorteile in Anspruch genommen werden und dies steuerrechtlich möglich ist (BSG, Urt. v. 16.2.2012 – B 9 SB 1/11 R, Rn 41 ff., hierzu Dau jurisPR-SozR 13/2012 Anm. 5, s. auch Bubeck/Sartorius ZAP F. 18, S. 912 f.). In der zuletzt genannten Entscheidung verweist das BSG hinsichtlich des Begriffs der Glaubhaftmachung zunächst auf § 294 ZPO. Die Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter einen geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit (im Vergleich zum Vollbeweis) vermitteln soll. Allerdings beinhaltet die normative Pflicht zur Glaubhaftmachung grundsätzlich auch die Verpflichtung der Antragsteller, alle notwendigen Tatsachen anzugeben und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Die Amtsermittlungspflicht (s. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB X, § 103 S. 1 SGG) setze erst dann ein, wenn die Antragsteller ihren Darlegungspflichten nachgekommen und die Wahrscheinlichkeit für den glaubhaft zu machenden Umstand dargetan haben, Rn 46 ff.
Hinweis:
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die (u.U. klageweise) zu erreichende Feststellung des GdB besteht jedenfalls bereits dann, wenn mit der Höhe des GdB allgemein Vorteile verbunden sind, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht konkretisiert werden müssen (BSG, Urt. v. 24.4.2008 – B 9/9a 8/06 R, Anm. Reyels jurisPR-SozR 7/2009, Anm. 9).
Wie bei der Gleichstellung (s.o. II.) steht Arbeitgebern gegen einen Bescheid, durch den Arbeitnehmer als schwerbehinderte Menschen anerkannt werden, kein Widerspruchs- bzw. Klagerecht zu (BSG, Urt. v. 22.10.1986 – 9a RVs 3/84, NJW 1987, 2462).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellt die zuständige Behörde aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis aus (Einzelheiten hierzu regelt die Schwerbehindertenausweisverordnung – SchwbAwV – v. 25.6.1991, BGBl I S. 1739, zuletzt geändert durch Art. 18 Abs. 3, Art. 19 Abs. 20 BTHG v. 23.12.2016, BGBl I S. 3234) über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung und, wenn weitere gesundheitliche Merkmale als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen vorliegen, solche gesundheitliche Merkmale, § 152 Abs. 5 S. 1 SGB IX. Nach Satz 3 der Vorschrift soll die Gültigkeits...