I. Allgemeines
Im 1. Teil des Beitrags (vgl. Burhoff, ZAP F. 24, S. 1705 ff.) wurden allgemeine Fragen der Anwaltsvergütung im Bußgeldverfahren angesprochen. Im 2. Teil wird im Einzelnen auf die Anwaltsgebühren eingegangen. Der Verteidiger kann auch im Bußgeldverfahren grds. drei Gebühren verdienen. In Teil 5 VV RVG sind nämlich ebenso wie in Teil 4 VV RVG für das Strafverfahren drei Gebühren vorgesehen, und zwar die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG sowie die Verfahrens- und die Terminsgebühren, die allgemein in Vorbem. 5 Abs. 2 und 3 VV RVG geregelt sind (allgemein zu den Gebühren im OWi-Verfahren Burhoff a.a.O.). Für die richtige Abrechnung ist von entscheidender Bedeutung, dass die Abgeltungsbereiche dieser drei im Bußgeldverfahren vorgesehenen Gebühren beachtet und die jeweils erbrachte Tätigkeit des Verteidigers richtig zugeordnet wird. Nur so lässt sich erreichen, dass die vom Verteidiger erbrachten Tätigkeiten auch angemessen und zutreffend honoriert werden. Zudem müssen die Besonderheiten der Bemessung der Rahmengebühren im OWi-Verfahren beachtet werden (vgl. dazu Burhoff a.a.O.).
II. Die Grundgebühr
1. Allgemeines
Nach Nr. 5100 VV RVG steht dem Rechtsanwalt für die Einarbeitung in das Verfahren zunächst eine Grundgebühr zu (vgl. dazu allgemein Burhoff RVGreport 2004, 53 ff.; ders., RVGreport 2014, 42). Diese entsteht unabhängig davon, wann die Einarbeitung erfolgt. Sie entsteht aber nur einmal (OLG Köln NStZ-RR 2007, 287 = AGS 2007, 451 m. zust. Anm. N. Schneider = JurBüro 2007, 484). Die Grundgebühr ist nicht verfahrensbezogen, sondern personenbezogen und kann im Laufe des Verfahrens – je nachdem, wie viele Verteidiger tätig sind – für jeden Rechtsanwalt gesondert entstehen (a.A. offenbar KG RVGreport 2008, 462 = StRR 2008, 358 = AGS 2008, 387).
Nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG entsteht die Grundgebühr immer neben der jeweiligen Verfahrensgebühr. Die Grundgebühr hat also den "Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert" (für die Nr. 4100 VV RVG BR-Drucks 517/12, 439 = BT-Drucks 17/11471, 281; s. inzwischen auch die Rechtsprechung OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117; LG Chemnitz RVGreport 2015, 265 = StRR 2015, 319 = AGS 2015, 379; LG Duisburg RVGreport 2014, 427 = AGS 2014, 330 = zfs 2014, 468 m. Anm. Hansens; LG Oldenburg RVGreport 2014, 470 = zfs 2014, 648 m. Anm. Hansens = AGS 2014, 552; LG Saarbrücken RVGreport 2015, 221 = AGS 2015, 389; a.A. – ohne nähere Begründung – OLG Nürnberg RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29; LG Saarbrücken AGS 2015, 379; RVGreport 2015, 182 = AGS 2015, 388). Sie ist damit ihrem Charakter nach eine besondere Verfahrensgebühr, die das Betreiben des Geschäfts für die vom Rechtsanwalt erbrachten besonderen Einarbeitungstätigkeiten honoriert.
2. Abgeltungsbereich
Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG honoriert den (besonderen) Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts, der einmalig mit bzw. bei der Übernahme des Mandats entsteht, also das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen (ersten) Informationen (BT-Drucks 15/1971, 281; s. auch Burhoff in: Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Nr. 4100 VV RVG Rn 25 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff/Volpert/Bearbeiter, RVG] zugleich auch zur Abgrenzung zur Verfahrensgebühr). Darunter sind alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu verstehen, die für die ordnungsgemäße Bearbeitung des Rechtsfalls notwendig sind. Hierzu gehört vor allem auch die erste Akteneinsicht nach § 147 StPO (OLG Hamm RVGreport 2005, 68 = StraFo JurBüro 2005, 196 = AGS 2005, 117; OLG Jena AGS 2005, 341 = StV 2006, 202 = StraFo 2006, 172). Weitere, im Verlauf sich anschließender Verfahrensabschnitte durchgeführte, Akteneinsichten werden dann aber nicht mehr von der Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG, sondern von der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten. Darüber hinaus werden sämtliche übrigen Tätigkeiten, die in zeitlich nahem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats und einem ersten Informationsgespräch anfallen, von der Grundgebühr erfasst (a.A. AG Koblenz NStZ-RR 2006, 266 [nur Tätigkeiten, die zum "Kernbereich der Verteidigung gehören", nicht vorbereitende Tätigkeiten]). Die Grundgebühr ist aber nicht auf "erste Tätigkeiten" gegenüber dem Mandanten begrenzt. Auch ein im Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats getätigter Anruf bei der Verwaltungsbehörde, z.B. um sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen, gehört noch zum Abgeltungsbereich der Grundgebühr (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV RVG Rn 34).
Alle darüber hinausgehenden Tätigkeiten werden mit der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, a.a.O.). Der früher vor allem in der Literatur bestehende Streit, ob die Verfahrensgebühr als Betriebsgebühr immer neben der Grundgebühr entsteht, ist durch die Änderungen in der Anm. zur Nr. 5100 VV RVG durch das 2. KostRMoG erledigt. Die Verfahrensgebühr entsteht immer (Burhoff RVGreport 2014, 42 und Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV RVG Rn 25 ff.).
3. Begriff des Rechtsfalls
Mit dem Begriff "Rechtsfall" in Nr. 5100 ...