Nach § 9 Abs. 1 JuSchG dürfen in Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit 1. Bier, Wein, weinähnliche Getränke oder Schaumwein oder Mischungen von Bier, Wein, weinähnlichen Getränken oder Schaumwein mit nichtalkoholischen Getränken an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren, 2. andere alkoholische Getränke oder Lebensmittel, die andere alkoholische Getränke in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, an Kinder und Jugendliche weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden.
In einem vor dem LG Bochum entschiedenen Sachverhalt (Urt. v. 23.1.2019 – 13 O 1/19) stritten Mitbewerber über die Anwendung und Auslegung dieser Norm bei Betrieb eines Online-Shops.
Das LG Bochum stellte zunächst fest, dass § 9 Abs. 1 JuSchG bei dem Angebot und der Lieferung von alkoholischen Getränken an Kinder und Jugendliche in einem Online-Shop anwendbar sei. Eine "Abgabe" i.S.d. Norm setze voraus, dass Minderjährige die tatsächliche Gewalt über die Substanz erhalte, z.B. durch Versand nach Bestellung im Internet. Unter den Begriff der "Öffentlichkeit" falle auch eine Abgabe im Fernabsatz. Das Merkmal "in der Öffentlichkeit" sei erfüllt, wenn die Ware für eine Mehrzahl von Personen, die nicht durch persönliche Beziehung untereinander oder mit den Anbietern verbunden sind, zugänglich sei. Beim Internet handele es sich um einen virtuellen "öffentlichen Raum", der einer Mehrzahl von Personen zugänglich sei. Das Gericht stellte ferner fest, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 JuSchG den Internethandel mit Alkohol einschließe. Dass keine ausdrücklichen Vorschriften im Jugendschutzgesetz für den Online-Versand mit Alkohol vorhanden seien, besage nicht, dass der Gesetzgeber den Onlinehandel mit Alkohol von den in § 9 JuSchG bestehenden Beschränkungen bei der Abgabe von alkoholischen Getränken an Kinder und Jugendliche habe ausnehmen wollen. Die gegenteilige Ansicht ist nach den Ausführungen des LG Bochum mit der Intention des JuSchG, Kinder und Jugendliche vor den Gefahren des Alkohols zu schützen, nicht in Einklang zu bringen. Nach Ansicht des LG Bochum wäre es absurd, wenn an die Internetwerbung für Alkohol strengere Anforderungen gestellt würden als bei der Abgabe von Alkohol selbst. Das Gericht bezog sich in seiner Argumentation insbesondere auf die "Vollzugshinweise zum Jugendschutzgesetz Anlage 1: Rechtsauffassung und Praxishinweise der Obersten Landesjugendbehörden zum (Online)-Versandhandel gemäß dem Jugendschutzgesetz".
Da § 9 JuSchG im Onlinehandel mit alkoholischen Getränken damit anwendbar sei, müssten Unternehmen sicherstellen, dass Kunden bei der Bestellung das erforderliche Alter haben. Ferner müssten sie dafür Sorge tragen, dass die altersbeschränkten Produkte nur an Erwachsene bzw. über 16-jährige Personen ausgehändigt werden. Welche Maßnahmen Händler zur Altersüberprüfung einsetzen, könnten diese selbst entscheiden. Der bloße Hinweis in einem Online-Shop, dass der Vertrieb von alkoholischen Getränken nur an volljährige Personen erfolge, sei jedoch nicht geeignet, ohne weitere Überprüfung Kinder und Jugendliche von der Bestellung abzuhalten. Das gleiche gelte, sofern in einem Paket nur der Hinweisaufkleber, dass der Inhalt nur für über 18-jährige Personen bestimmt sei, angebracht sei.
Das LG Bochum hat ferner entschieden, dass § 9 JuSchG eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG sei. Es handele sich auch um einen spürbaren Verstoß; an dieser Stelle sei zu berücksichtigen, dass die Altersverifikation erhebliche Mehrkosten für Onlinehändler mit sich bringe.
Im Übrigen stellte das Gericht fest, dass es sich bei der Fragestellung, welche Maßnahmen eingeleitet werden müssten, um sicherzustellen, dass bei einem Versandhandel mit Alkohol die Bestimmungen des § 9 JuSchG eingehalten würden, um eine für die Unternehmensorganisation grundsätzliche Fragestellung handele. Hieraus kann man den Rückschluss ziehen, dass das LG Bochum bei einem Verstoß hiergegen eine zusätzliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für gegeben ansieht.