Ein Verbraucher hatte im Fernabsatz bei einem Onlinehändler eine Matratze gekauft. Bei der Anlieferung der Ware war diese noch in einer Schutzfolie verpackt, die der Käufer hiernach entfernte. Sodann erklärte dieser später fristgerecht den Widerruf. Der Händler akzeptierte diesen nicht mit der Begründung, es handele sich um einen versiegelten Hygieneartikel, für den das Widerrufsrecht ausgeschlossen sei. Nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB besteht kein Widerrufsrecht für "Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde". Der Käufer schickte die Matratze auf eigene Kosten an den Händler zurück und forderte von diesem die Erstattung des Kaufpreises und der Rücksendekosten. Da der Händler nicht einlenkte, klagte der Käufer. Das AG Mainz und das LG Mainz gaben dem Käufer Recht. In der Revisionsinstanz legte der BGH (Urt. v. 3.7.2019 – VIII ZR 194/16, ZAP EN-Nr. 481/2019) – da es um die Auslegung des Art. 16 Buchst. e) der Richtlinie 2011/83/EU (sog. Verbraucherrechte-Richtlinie) ging – dem EuGH die Frage vor, ob im Falle des Auspackens und ggf. der Prüfung bzw. Nutzung einer Matratze von einer vollständigen Aufhebung der Verkehrsfähigkeit auszugehen sei. Der BGH hatte in der Begründung seiner Vorlage bereits deutlich gemacht, dass er dies wegen der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift so wie die Vorinstanzen beurteilt. Der EuGH (Urt. v. 27.3.2019 – C-681/17) sah dies im Ergebnis ebenso. Er begründete das damit, dass es einen Markt für gebrauchte Matratzen gibt, wobei diese zuvor auch einer gründlichen Reinigung unterzogen werden können. Im Hotelbetrieb ist z.B. die Nutzung von Matratzen üblich, auf denen zuvor andere Personen gelegen haben. Ferner verglich der EuGH die Matratzen auch mit Kleidungsstücken. Auch hier entfalle mit deren Benutzung nicht die Verkehrsfähigkeit (ebenfalls sei ein Gebrauchtmarkt vorhanden und eine Reinigung möglich). In seiner Begründung der Vorlage an den EuGH hatte der BGH – insofern vom EuGH nicht beanstandet – zur Abgrenzung darauf verwiesen, dass Ausnahmen vom Widerrufsrecht z.B. für bestimmte Kosmetika und für Zahnbürsten in Betracht kommen, da hier die Verkehrsfähigkeit mit Entfernung der Versiegelung endgültig entfällt. Der EuGH hat jedoch auch erläutert, dass der Verbraucher – bei korrekter Widerrufsbelehrung und Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars – für einen Wertverlust einer Ware haftet, der auf ein Verhalten zurückzuführen ist, das für die Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise nicht erforderlich war. Ein Händler ist insofern nicht komplett rechtlos, auch wenn ihn der Verkauf von Matratzen oder Bekleidung im gebrauchten Zustand wirtschaftlich trifft. Nach der gesetzlichen Ausrichtung müssen diese Aspekte letztendlich über den Preis abgefangen werden, da die Verbraucherrechte Vorrang haben. Da der Verbraucher – anders als im Ladengeschäft – die Waren vorher nicht unmittelbar sehen und anfassen kann, ist das Widerrufsrecht insofern als Ausgleich geschaffen worden.