1 Keine Verwirkung des Widerrufsrechts: Verspätete Warenrücksendung
Ein Verbraucher hatte Waren im Online-Shop eines Händlers bestellt und seine Bestellung dann fristgerecht widerrufen. Einen Teil der Ware sendete er zeitnah an den Händler zurück, einen anderen Teil erst nach ca. 5 Monaten. Wegen der verspäteten Rücksendung weigerte sich der Händler, die Rückabwicklung vorzunehmen und den entsprechenden Teil des Kaufpreises zu erstatten. Der Händler meinte, das Widerrufsrecht sei wegen der erheblich verzögerten Rücksendung verwirkt. Der Verbraucher klagte vor dem AG Münster (Urt. v. 21.9.2018 – 48 C 432/18) auf Rückzahlung des entsprechenden Kaufpreises und erhielt Recht. Das Gericht stellte klar, dass das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht des Käufers (§§ 312 Abs. 1, 355 BGB) nicht verwirkt wird, wenn die in § 357 Abs. 1 BGB geregelte Frist zur Rücksendung der Ware innerhalb von 14 Tagen überschritten wird.
Das entspricht der gesetzlichen Regelung. Falls ein Verbraucher bei einem Fernabsatzgeschäft seine Vertragserklärung rechtzeitig widerruft, ist er verpflichtet, die Ware innerhalb von 14 Tagen ab dem Tag, an dem er den Händler über den Widerruf unterrichtet hat, an diesen zurücksenden. Der Händler muss den Kaufpreis nach Erhalt des Widerrufs unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über den Widerruf bei ihm eingegangen ist. Allerdings steht ihm ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis er die Ware oder einen ordnungsgemäßen Nachweis des Verbrauchers über die Absendung der Ware erhalten hat. Falls der Händler sich zur Zurückbehaltung entschließt, muss er dem Verbraucher mitteilen, dass er die Rückzahlung einbehält. Sendet der Verbraucher die Ware nicht innerhalb dieser Frist zurück, hat dies letztlich keine Konsequenzen für ihn. Lediglich wenn der Händler Nachweise für einen Schaden liefern kann, der durch diese Verzögerung entstanden ist, könnte er dies gegenüber dem Verbraucher geltend machen. Solche Fälle eines ursächlichen Verzugsschadens dürften in der Praxis jedoch kaum vorkommen.
2 Widerrufsbelehrung: Nennung der Telefonnummer
Sowohl nach dem amtlichen Muster der Widerrufsbelehrung als auch nach der Auffassung der Wettbewerbsgerichte ist die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung (nicht aber im Muster-Widerrufsformular) anzugeben. Das Fehlen der Telefonnummer ist ein Wettbewerbsverstoß. Dieser wird auch stets als erheblich angesehen, weil die fernabsatzrechtlichen Vorschriften auf EU-Recht beruhen. Das OLG Schleswig (Urt. v. 10.1.2019 – 6 U 37/17) hat das zuletzt erneut bekräftigt. Die dortige Beklagte vertrieb über das Internet u.a. Telekommunikationsdienstleistungen. Sie verwendete dabei das gesetzlich angebotene Muster der Widerrufsbelehrung, um den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu informieren. In der Muster-Widerrufsbelehrung gab sie ihre Telefonnummer nicht an, obwohl sie über geschäftliche Telefonnummern verfügt, die eigens für den Kontakt mit bereits vorhandenen Kunden eingerichtet worden waren. Das LG Kiel hatte die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das OLG Schleswig hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das landgerichtliche Urteil bestätigt. Das Gericht wies darauf hin, dass der Gesetzgeber zum Ausfüllen der Widerrufsbelehrung einen (amtlichen) Gestaltungshinweis formuliert hat. Danach soll der Unternehmer seinen Namen, seine Anschrift und, soweit verfügbar, seine Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse angeben. Da der Widerruf nicht nur in Textform, sondern auch telefonisch oder mündlich erklärt werden kann, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Telefonnummer jedenfalls dann mitteilen, wenn er diese Telefonnummer auch sonst nutzt, um mit seinen Kunden in Kontakt zu treten. Da das OLG Düsseldorf (Urt. v. 18.2.2016 – 15 U 54/15) jedoch eine andere Sichtweise als u.a. das OLG Schleswig vertreten hatte, war durch das OLG Hamm (Urt. v. 10.8.2017 – 4 U 101/15) die Revision zum BGH zugelassen worden. Der BGH (Beschl. v. 7.3.2019 – I ZR 169/17) legte dem EuGH nun folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
- Ist eine Telefonnummer i.S.d. Gestaltungshinweises zur Musterwiderrufsbelehrung gem. Anhang I. Teil A der Richtlinie 2011/83/EU "verfügbar", wenn der Unternehmer die Telefonnummer im Rahmen des Impressums nennt oder auf der Startseite seines Internetauftritts klar und deutlich darstellt?
- Ist eine Telefonnummer i.S.d. Gestaltungshinweises zur Musterwiderrufsbelehrung gem. Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU "verfügbar", wenn der Unternehmer den Telefonanschluss zwar geschäftlich nutzt, aber nicht für den Abschluss von Fernabsatzverträgen verwendet und daher auch nicht zur Rückabwicklung von Fernabsatzverträgen in Form einer Entgegennahme von Widerrufserklärungen vorhält?
Nach dieser Vorlage hat der EuGH – in einem anderen Verfahren – entschieden (Urt. v. 10.7.2019 – C-649/17), dass Onlinehändler vor Vertragsschluss keine Telefonnummer zur Verfügung stellen müssen, falls ein anderes Kommunikationsmittel zur effizienten Kontaktaufnahme vorgehalten wird. Hiernach ist also die Angabe einer Telefonnummer im Impressum nicht zwingend ...