Ob dies in der gegebenen Situation bei eingetretener Arbeitslosigkeit in der gewohnten Rigorosität weiter praktiziert werden kann, muss ernsthaft bezweifelt werden. Zwar besteht weiterhin eine Obliegenheit des durch "Corona" arbeitslos gewordenen Unterhaltspflichtigen, sich um eine neue berufliche Tätigkeit zu bemühen. Für Zeiten wie diese gibt es aber keine Erfahrungswerte, aus denen sich einfach die Verletzung unterhaltsrechtlicher Obliegenheiten begründen ließe (Schürmann, FamRB 2020, 199, 200). Folglich ist eine lediglich pauschale Argumentation in der Corona-Krise nicht mehr haltbar, wenn die Arbeitslosigkeit in einem der vielen Bereiche der Wirtschaft eingetreten ist, die in Schwierigkeiten geraten sind.
Angesichts der gegebenen gesamtwirtschaftlichen Situation ist i.R.d. Unterhaltsverfahrens auch immer ganz konkret zu prüfen, ob eine reale Beschäftigungschance überhaupt besteht. Der unterhaltsrechtliche Vorwurf greift dann nicht mehr, wenn keine reale Chance auf eine Arbeitsstelle mit Vollerwerbstätigkeit und dem bisher erzielten Einkommen mehr unterstellt werden kann (Schürmann, FamRB 2020, 199, 200).
Bei Betrieben und Unternehmen, die von der Wirtschaftskrise besonders betroffen sind, ist die Unterstellung einer realen Beschäftigungschance jedenfalls in der aktuellen Lage nicht möglich. Allerdings hat die Wirtschaftskrise (noch) nicht sämtliche Erwerbszweige erfasst, sodass nicht immer davon ausgegangen werden kann, es könne keine neue Arbeitsstelle gefunden werden. Daher muss jeweils im Einzelfall nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten geklärt werden, ob eine reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht (Borth, FamRZ 2020, 654, 655).
Ein weiterer "juristischer Kunstgriff", in der Praxis vorkommende Einkommensverminderungen aufgrund von Krankheit, Arbeitsplatzverlust usw. letztlich unberücksichtigt zu lassen, erfolgte mit der Begründung, es handele sich nur um eine ohne unterhaltsrechtliche Konsequenzen zu überbrückende Übergangszeit (vgl. z.B. OLG Brandenburg FamRZ 1995, 1220; OLG Dresden FamRZ 1998, 767). Angesichts der beschriebenen Unsicherheiten passt dieses gewohnte "Instrumentarium" hier ebenfalls nicht; vielmehr muss man auf die jetzigen Veränderungen aufgrund der Corona-Pandemie im materiellen Unterhaltsrecht zeitgleich reagieren. Verfahrensrechtlich sind dabei aber bestehende Hürden zu bedenken (s.u. II 8).