Angesichts der durch die Corona-Krise ausgelösten zahlreichen Einschränkungen der gerichtlichen Tätigkeit, die aller Voraussicht nach noch längere Zeit anhalten werden, empfiehlt es sich, auch im Verfahrensrecht zumindest den Versuch zu unternehmen, neue Wege zu gehen, um trotz der Einschränkungen die Verfahren weiter bearbeiten zu können und einen weiteren Verfahrensstau zu verhindern (s. dazu C. auf der Heiden, NJW 2020, 1023; Kulhanek, NJW 2020, 1183; Vorwerk, NJW 2020, 1196; C.’Gehrlein, FuR 2020, 264; Greger, MDR 2020, 509; Windau, NZFam 2020, 269).
Soweit gerichtliche Termine anberaumt sind, bedarf jede Terminsaufhebung oder -verlegung eines „erheblichen Grundes” (§ 227 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung des Gerichts über die Terminsaufhebung und -verlegung ist unanfechtbar (§ 227 Abs. 4 S. 3 ZPO). Wird der Termin nicht aufgehoben, erscheint eine Partei bzw. ihr Vertreter aus Sorge um eine Ansteckung aber nicht, könnte sich die Frage stellen, ob das Fernbleiben deswegen unverschuldet ist und daher keine Versäumnisentscheidung ergehen darf, sondern nach § 337 ZPO zu vertagen ist. Zwar ist eine eingetretene Erkrankung ein ausreichender Entschuldigungsgrund, die bloße Gefahr einer Erkrankung – bei sich oder auch für andere – aufgrund der Corona-Pandemie jedenfalls dann nicht, wenn im Gericht die gebotenen Schutzvorkehrungen getroffen sind.
In Familienstreitsachen (Unterhalt, Zugewinn) kann gem. § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren verhandelt und entschieden werden. Erforderlich ist hierzu die beiderseitige Zustimmung, bei der es sich um eine Prozesshandlung handelt, sodass § 78 ZPO und folglich Anwaltszwang gilt. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG gilt § 128 Abs. 2 ZPO auch im Scheidungsverfahren. Leider scheitert die nach § 128a ZPO zulässige Videoverhandlung vielfach nicht nur an der fehlenden Technik in den Gerichten, sondern auch an überzogenen Anforderungen des Datenschutzes.
Allerdings verlangt § 128 FamFG die persönliche Anhörung der Eheleute. Unklar ist noch, ob in geeigneten Fällen eine schriftliche Anhörung zulässig ist (so OLG Hamm FamRZ 2013, 64), die Anhörung durch die eidesstattliche Versicherung der Ehegatten ersetzbar ist oder die Anhörung telefonisch oder mittels Video-Konferenz gem. § 128a ZPO durchgeführt werden kann (zur Problematik Frank, FUR 2020, 331; Götsche, FamRZ 2020, 820; Köbler, FamRZ 2020, 823; Windau, NZFam 2020, 269; Schneider, NZFam 2020, 271; AG Darmstadt FamRZ 2015, 271 mit Anm. Viefhues).
Möglich ist die Abtrennung des Versorgungsausgleichs gem. § 140 Abs. 2 Nr. 4 FamFG, die auf Antrag beider Beteiligten erfolgen kann. Für diesen Antrag besteht kein Anwaltszwang (vgl. § 140 Abs. 5 FamFG).
Die Abtrennung einer anderen Folgesache ist nach § 140 FamFG nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich und erfolgt in der Praxis – jedenfalls wenn der Gegner sich der Abtrennung widersetzt – äußerst selten (ausführlich Viefhues, FF 2017, 477). Das OLG Brandenburg hat allerdings auch unter Hinweis auf die Corona-Krise eine Abtrennung gebilligt (OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.4.2020 – 9’UF 19/20, NZFam 2020, 528).
Von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht führender Richter am AG a.D., Gelsenkirchen
ZAP F. 11, S. 917–930