I. Einleitung
Die Corona-Pandemie wirbelt nicht nur das Alltagsleben der Bürger und der Wirtschaft durcheinander, sondern stellt auch die familienrechtliche Praxis vor völlig neue Herausforderungen.
Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die rechtlichen Auswirkungen geben.
II. Unterhaltsrecht in Corona-Zeiten
1. Einkommensverminderungen durch die Corona-Pandemie
Die Corona-Krise schlägt voll auf den Arbeitsmarkt durch; auch Gewerbetreibende und Selbstständige haben massive Einkommensnachteile zu verzeichnen. Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, unbezahlter Urlaub, Krankheit, vorsorgliche Quarantäne, Einkommenseinbußen infolge der Kinderbetreuung, Betriebsschließung oder Umsatzeinbrüche bei Selbstständigen sind hier zu nennen. Das Einkommen eines Unterhaltsbeteiligten ist aber der Dreh- und Angelpunkt des Unterhaltsrechts, sodass solche Einkommenseinbußen, die sowohl beim Unterhaltspflichtigen als auch beim Unterhaltsberechtigten eintreten können, erhebliche Auswirkungen auf den Unterhalt haben. Allerdings kann im Einzelfall auch eine Kompensation durch andere Einkünfte und Hilfsmaßnahmen eingetreten sein.
2. Unterhaltsrechtliche Behandlung von Einkommensverminderungen "in normalen Zeiten"
In der unterhaltsrechtlichen Praxis sind allerdings Veränderungen der Einkommenssituation eines Beteiligten kein unbekanntes Phänomen; der wohl häufigste Fall ist die Arbeitslosigkeit. Diese Fälle wurden durchgehend mit einem "argumentativen Kunstgriff" entschieden, nämlich mit dem nicht widerlegten Vorwurf der nicht ausreichenden Bemühungen um einen neuen Job. Dabei stellt die Rechtsprechung sehr strenge Anforderungen an die Bewerbungsbemühungen eines Arbeitslosen (s.’Viefhues, jurisPK BGB [2020], § 1603 BGB Rn 595 ff. m.w.N.). Daran anschließend wurde der Unterhalt auf der Basis des fiktiven Erwerbseinkommens – i.d.R. in der früher erzielten Höhe – berechnet.
Hintergrund dieser gängigen Argumentation waren allgemeine Erfahrungswerte basierend auf der bekannten Situation am Arbeitsmarkt, dass vielfach die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes bei ausreichend intensiven Bemühungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums möglich ist.
3. Arbeitslosigkeit in Corona-Zeiten
a) Unterhaltsberechnung aufgrund fiktiven Erwerbseinkommens
Ob dies in der gegebenen Situation bei eingetretener Arbeitslosigkeit in der gewohnten Rigorosität weiter praktiziert werden kann, muss ernsthaft bezweifelt werden. Zwar besteht weiterhin eine Obliegenheit des durch "Corona" arbeitslos gewordenen Unterhaltspflichtigen, sich um eine neue berufliche Tätigkeit zu bemühen. Für Zeiten wie diese gibt es aber keine Erfahrungswerte, aus denen sich einfach die Verletzung unterhaltsrechtlicher Obliegenheiten begründen ließe (Schürmann, FamRB 2020, 199, 200). Folglich ist eine lediglich pauschale Argumentation in der Corona-Krise nicht mehr haltbar, wenn die Arbeitslosigkeit in einem der vielen Bereiche der Wirtschaft eingetreten ist, die in Schwierigkeiten geraten sind.
Angesichts der gegebenen gesamtwirtschaftlichen Situation ist i.R.d. Unterhaltsverfahrens auch immer ganz konkret zu prüfen, ob eine reale Beschäftigungschance überhaupt besteht. Der unterhaltsrechtliche Vorwurf greift dann nicht mehr, wenn keine reale Chance auf eine Arbeitsstelle mit Vollerwerbstätigkeit und dem bisher erzielten Einkommen mehr unterstellt werden kann (Schürmann, FamRB 2020, 199, 200).
Bei Betrieben und Unternehmen, die von der Wirtschaftskrise besonders betroffen sind, ist die Unterstellung einer realen Beschäftigungschance jedenfalls in der aktuellen Lage nicht möglich. Allerdings hat die Wirtschaftskrise (noch) nicht sämtliche Erwerbszweige erfasst, sodass nicht immer davon ausgegangen werden kann, es könne keine neue Arbeitsstelle gefunden werden. Daher muss jeweils im Einzelfall nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten geklärt werden, ob eine reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht (Borth, FamRZ 2020, 654, 655).
Ein weiterer "juristischer Kunstgriff", in der Praxis vorkommende Einkommensverminderungen aufgrund von Krankheit, Arbeitsplatzverlust usw. letztlich unberücksichtigt zu lassen, erfolgte mit der Begründung, es handele sich nur um eine ohne unterhaltsrechtliche Konsequenzen zu überbrückende Übergangszeit (vgl. z.B. OLG Brandenburg FamRZ 1995, 1220; OLG Dresden FamRZ 1998, 767). Angesichts der beschriebenen Unsicherheiten passt dieses gewohnte "Instrumentarium" hier ebenfalls nicht; vielmehr muss man auf die jetzigen Veränderungen aufgrund der Corona-Pandemie im materiellen Unterhaltsrecht zeitgleich reagieren. Verfahrensrechtlich sind dabei aber bestehende Hürden zu bedenken (s.u. II 8).
b) Unterhaltsberechnung auf der Basis des Arbeitslosengeldes
Wird auf das tatsächliche Einkommen – also das Arbeitslosengeld – abgestellt, das 60 %, für Eltern 67 % des durchschnittlichen Entgelts der letzten zwölf Monate beträgt, bedeutet dies eine erhebliche, auch unterhaltsrechtlich zu beachtende Einkommensreduzierung.
Der arbeitslose Unterhaltspflichtige kann i.R.d. Unterhaltsberechnung keinen Erwerbstätigenbonus und auch keine berufsbedingten Aufwendungen abziehen (Borth, FamRZ 2020, 653, 654), ihm steht auch nur ein geringerer Selbstbehalt zu als einem Erwerbstätigen.
Allerdings stellt sich die Frage einer zusätzlichen Tätigkeit. Beim Arbeitslosengeld ist aber nur ein Zuverdienst bis zu 165 EUR anrechnungsfrei. Dieser Freibetrag ka...