1. Neuregelung
Die Beschlagnahme ist als offene Ermittlungsmaßnahme gem. § 35 Abs. 2 StPO den von ihr betroffenen Personen, also insb. dem Beschuldigten, wenn die Beschlagnahme bei einer anderen nichtbeschuldigten Person erfolgt, bekanntzumachen ist. Der Gesetzgeber hat hier eine Gefahr für Ermittlungen gesehen, weil die Aufdeckung der Beschlagnahme einen Ermittlungserfolg gefährden könne (vgl. BT-Drucks 19/27654, S. 59 ff.). Vor diesem Hintergrund ist durch das Gesetz § 95a StPO eingefügt worden. Der gibt nun die Möglichkeit, die Bekanntgabe einer Beschlagnahme in bestimmten Konstellationen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zurückzustellen (krit. zu der Neuregelung und zu verfassungsrechtlichen Bedenken Hieramente jurisPR-Strafrecht 3/2021 Anm. 1; wegen weiterer Einzelh. Burhoff, StPO 2021, Rn 28 ff.).
2. Inhalt der Neuregelung des § 95a Abs. 1 StPO
Zulässig ist die "heimliche Beschlagnahme" nur in den Fällen, in denen ein Dritter einen Gegenstand in Gewahrsam hat, der nach § 94 Abs. 2 StPO beschlagnahmt wird. Mitgewahrsam dürfte ausreichen. Zulässig ist die Zurückstellung der Benachrichtigung auch nur gegenüber dem Beschuldigten. Die Zurückstellung der Bekanntgabe auch gegenüber dem Gewahrsamsinhaber kommt nicht in Betracht. § 95a Abs. 1 StPO erfasst aber sowohl den Fall § 98a StPO als auch den nach § 98 Abs. 2 StPO) (dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 828 ff., 901 ff. [im Folgenden Burhoff, EV, zu allem BT-Drucks 19/27654, S. 61 f.). Die Zurückstellung der Benachrichtigung erstreckt sich nicht nur auf elektronische Beweismittel (E-Mail-Postfächer, Cloud-Speicher und Ähnliches), auch wenn der Hauptanwendungsfall vermutlich im Bereich der Beschlagnahme von elektronischen Beweismitteln zu finden sein wird.
Die Zurückstellung der Beschlagnahme nach § 95a StPO kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn die sofortige Bekanntgabe der Beschlagnahmeanordnung nach § 35 Abs. 2 StPO gegenüber dem Beschuldigten den Untersuchungszweck gefährden würde. Insoweit gelten die Grundsätze zu § 101 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 StPO, der die Zurückstellung der Benachrichtigung bei den verdeckt ausgestalteten Ermittlungsmaßnahmen regelt (BT-Drucks 19/27654, S. 61.; wegen der Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 101 Rn 19 [im Folgenden: Meyer-Goßner/Schmitt]; Burhoff, EV, Rn 2822 und Rn 3621 ff.). Es ist darauf abzustellen, ob die Erforschung des Sachverhalts, mithin die Klärung des gegen den Beschuldigten bestehenden Tatverdachts mittels aller zulässigen Untersuchungshandlungen, durch die sofortige Offenlegung gefährdet ist (BT-Drucks 19/27654, S. 61 f.).
Die "Zurückstellungsschwelle" (§ 95a Abs. 1 Nr. 1 StPO) ist verhältnismäßig hoch. Voraussetzung ist nämlich, dass betreffend den Beschuldigten der Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung besteht (BT-Drucks 19/27654, S. 62). Das ist die Formulierung, wie sie die StPO z.B. auch in § 98a StPO bei der Rasterfahndung, verwendet (dazu Burhoff, EV, Rn 3601 f.; vgl. a. noch §§ 81g Abs. 1 S. 1, 100h Abs. 1 S. 2, 100i Abs. 1, 131 ff., 163e Abs. 1 S. 1, 163f Abs. 1 S. 1 StPO). Danach scheiden Bagatelldelikte aus und die Anlasstat muss mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, was bei Verbrechen i.d.R. der Fall sein dürfte, bei Vergehen aber erst ab einer bestimmten erhöhten Strafrahmenobergrenze. Als Orientierungshilfe wird man den Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO heranziehen können (Burhoff, EV, Rn 4049 f.; vgl. a. BGH NJW 2021, 1225; Meyer-Goßner/Schmitt, § 100a Rn 6b ff.; BT-Drucks 19/27654, S. 62). Der Beschuldigte muss die Tat als Täter oder Teilnehmer begangen haben. Insoweit kann ebenfalls auf die Meinungen zur Telefonüberwachung verwiesen werden. Dasselbe gilt für Vorbereitungshandlungen. Die Anlasstat muss zudem im konkreten Einzelfall von erheblicher Bedeutung sein (dazu Drucks 19/27654, S. 62; Burhoff, EV, Rn 4055). Der Verdacht auf die erhebliche Straftat muss auf "bestimmten Tatsachen" beruhen. In § 95a Abs. 1 Nr. 1 StPO wird also derselbe Verdachtsgrad aufgestellt wie bei der Telefonüberwachung in § 100a Abs. 1 S. 1 StPO (dazu Burhoff, EV, Rn 4056 f.).
§ 95a Abs. 1 Nr. 2 StPO enthält schließlich eine strenge Subsidiaritätsklausel, die der Regelung in § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO entspricht (Burhoff, EV, Rn 4066). Notwendig ist eine Einzelfallprüfung, ob im Anordnungszeitpunkt alternative zielführende Ermittlungsmaßnahmen mit geringerem Eingriffsgewicht zur Verfügung stehen, insb. ob die Beschlagnahme wirklich sofort erfolgen muss oder ob (zunächst) andere Ermittlungsmaßnahmen herangezogen und mit der Beschlagnahme bis zu einem späteren Zeitpunkt abgewartet und die Maßnahme dann offen durchgeführt werden kann (BT-Drucks 19/27654, S. 63). Daneben muss die allgemeine Verhältnismäßigkeit der Maßnahme beachtet werden.
3. Verfahren
Nach § 95a Abs. 2 S. 1 StPO darf die Zurückstellung der Benachrichtigung nur durch den