1. Neuregelung
Früher war in § 99 StPO a.F. (nur) die sog. Postbeschlagnahme geregelt, die sich allein darauf richtete, den Postdienstleister zur Auslieferung von solchen Postsendungen (und Telegrammen) zu verpflichten, die sich im Zeitraum der Anordnung der Maßnahme in seinem Gewahrsam befinden. Nach überwiegender Ansicht bestand daneben aber die Befugnis, als milderes Mittel zur physischen Beschlagnahme in einem eingeschränkten Umfang – vor allem betreffend die äußeren Merkmale einer Postsendung – Auskunft bei den Postdienstleistern über jene Sendungen zu verlangen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden (vgl. die Nachweise bei Burhoff, EV, Rn 3549). Nachdem der BGH insoweit wegen der Ermächtigungsgrundlage Bedenken angemeldet hatte (vgl. BGH NJW 2017, 680; s.a. Burhoff, EV, Rn 3549 m.w.N.), ist dieses Auskunftsbegehren jetzt in § 99 Abs. 2 StPO als sog. Auskunftsverlangen ausdrücklich geregelt (wegen weiterer Einzelh. Burhoff, StPO 2021, Rn 67 ff.). Das Auskunftsverlangen steht aber nicht in einem Alternativverhältnis zur physischen Postbeschlagnahme nach § 99 Abs. 1 StPO n.F. bzw. § 99 StPO a.F., sondern ist ausdrücklich als ergänzende Befugnis neben die Postbeschlagnahme getreten (BT-Drucks 19/27654, S. 67).
2. Allgemeine Voraussetzungen
Die StPO sieht für ein Auskunftsverlangen nach § 99 Abs. 2 StPO ebenso wie für die Postbeschlagnahme nach § 99 Abs. 1 StPO keinen besonderen Tatbestandskatalog und/oder eine Eingriffsschwelle vor. Die Ermittlungsmaßnahme ist also grds. bei jedem Delikt zulässig. Allerdings wird beim Auskunftsverlangen ebenso wie bei der Postbeschlagnahme der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders zu beachten sein. Auf die Ausführungen bei Burhoff, EV, Rn 3550, kann daher verwiesen werden. Die Befugnis zum Auskunftsverlangen knüpft an dieselben materiellen Voraussetzungen an wie die Postbeschlagnahme nach § 99 Abs. 1 StPO. Es umfasst dieselben Arten von Postsendungen. Es richtet sich an denselben Adressatenkreis von Postdienstleistern. Betroffen muss wie bei der "Postbeschlagnahme" nach § 99 Abs. 1 StPO ein bestimmter Beschuldigter sein. Dessen Person muss feststehen, wohingegen sein Name noch unbekannt sein kann (Burhoff, EV, Rn 3544).
3. Inhalt des Auskunftsverlangens (§ 99 Abs. 2 S. 2 und 3 StPO)
§ 99 Abs. 2 S. 2 und 3 StPO regelt den erforderlichen Inhalt des Auskunftsverlangens abschließend. Danach kann nur über die äußeren Merkmale der Sendung bzw. die Umstände des Postsendungsverlaufs Auskunft verlangt werden (BT-Drucks 19/27654, S. 67). Weitere nach der DSGVO, den §§ 41 ff. PostG oder anderweitigen Rechtsvorschriften gespeicherte bzw. erhobene Daten werden nicht erfasst. Das gilt insb. für Daten, welche etwa das geleistete Entgelt für die Postsendung betreffen oder – unabhängig von der konkreten Postsendung – das übergeordnete Geschäfts- bzw. Kundenverhältnis betreffen.
4. Zeitlicher Umfang (§ 99 Abs. 2 S. 4 StPO)
Der zeitliche Umfang des Auskunftsverlangens i.S.d. Sätze 2 und 3 wird in § 99 Abs. 2 S. 4 StPO verhältnismäßig weit gefasst (BT-Drucks 19/27654, S. 68). Erfasst wird zunächst der Zeitraum, während sich die betreffenden Postsendungen im Gewahrsam des Postdienstleisters befinden. Das entspricht der herkömmlichen Postbeschlagnahme nach § 99 Abs. 1 StPO (dazu Burhoff, EV, Rn 3546 f.). Erfasst werden aber auch solche Postsendungen, die sich bei Eingang der Auskunftsanordnung nicht mehr im Gewahrsam des Postdienstleisters befinden.
5. Verfahren (§ 100 StPO)
Das Verfahren des Auskunftsverlangens ist ebenso wie das Verfahren bei der herkömmlichen Postbeschlagnahme nach § 99 Abs. 1 StPO in § 100 StPO geregelt. Dieser ist um die neue Befugnis des Auskunftsverlangens nach § 99 Abs. 2 StPO ergänzt worden (wegen der Einzelh. daher Burhoff, EV, Rn 3552 ff.).
6. Beweisverwertungsverbote
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/27654, S. 66 ff.) stehen das Auskunftsverlangen nach § 99 Abs. 2 StPO und die physische Postbeschlagnahme nach § 99 Abs. 1 StPO gleichberechtigt nebeneinander. Das führt m.E. dazu, dass in all den Fällen, in denen in der Vergangenheit für die Postbeschlagnahme ein Beweisverwertungsverbot angenommen worden ist, man dieses auch für das Auskunftsverlangen wird annehmen können (wegen der Einzelh. Burhoff, EV, Rn 3560).