1. Neuregelung
In § 163g StPO ist eine spezialgesetzliche Befugnis der Strafverfolgungsbehörden zur automatischen Kennzeichenerfassung im öffentlichen Verkehrsraum insb. zu Fahndungszwecken eingeführt worden. Ausdrücklich geregelt ist damit der Fahndungseinsatz von Automatischen Kennzeichenlesesystemen (AKLS), die es erlauben, über einen bestimmten Zeitraum hinweg vor allem auf Fernstraßen sämtliche passierende Fahrzeuge abzulichten, deren amtliche Kennzeichen durch eine Software auszulesen und sie mit Kennzeichen von Kraftfahrzeugen abzugleichen, die auf den Beschuldigten oder seine Kontaktpersonen zugelassen sind bzw. von diesen Personen genutzt werden. Insoweit bestand in der StPO nach Auffassung des Gesetzgebers bislang eine Regelungslücke (vgl. die Zusammenstellung in BT-Drucks 19/27654, S. 82 f.).
2. Voraussetzungen für den Einsatz von AKLS
Nach § 163g Abs. 1 S. 1 StPO muss ein auf Tatsachen gestützter Anfangsverdacht der Begehung einer Anlasstat, nämlich einer Straftat von erheblicher Bedeutung, bestehen. Das Merkmal "Straftaten von erheblicher Bedeutung" verwendet die StPO z.B. auch in § 98a StPO bei der Rasterfahndung (Burhoff, EV, Rn 3596 ff.), sodass die dazu vorliegende Rechtsprechung herangezogen werden kann (Burhoff, EV, Rn 3601 f.; s.a. oben II. 2 und Burhoff, StPO 2021, Rn 171 ff.). Weitere Beschränkungen in tatsächlicher Hinsicht – etwa auf einen bestimmten Straftatenkatalog oder auf Taten, die auch im Einzelfall schwer wiegen oder auf Subsidiaritätskonstellationen (sog. Erschwerens- bzw. Aussichtslosigkeitsklausel) – hat die Neuregelung nicht aufgestellt.
Als weitere Voraussetzung verlangt § 163g Abs. 1 S. 1 StPO, dass tatsächliche Ermittlungserkenntnisse die Annahme rechtfertigen, dass der Abgleich der AKLS-Daten nach § 163g Abs. 2 StPO zur Ermittlung der Identität oder des Aufenthaltsortes des Beschuldigten führen kann (sog. Erfolgsaussicht) (BT-Drucks 19/27654, S. 83, 85; BVerfG, a.a.O.). Nach § 163g Abs. 1 S. 2 StPO darf der Einsatz von ALKS im Übrigen "nur vorübergehend und nicht flächendeckend erfolgen" (vgl. auch das Erfordernis der Befristung in § 163g Abs. 3 S. 3 StPO). Der Einsatz von AKLS ist auf den öffentlichen Verkehrsraum begrenzt.
3. Erhebungsgegenstand (§ 163g Abs. 1 S. 1 StPO)
Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung vor, besteht die Befugnis zur Erhebung der Kennzeichen von Kraftfahrzeugen und bestimmter abschließend genannter Daten, und zwar die Kennzeichen von Kraftfahrzeugen, Ort, Datum, Uhrzeit, Fahrtrichtung. Unter den Begriff des Kennzeichens fallen nicht nur amtliche (inländische) Kennzeichen sondern auch Versicherungskennzeichen bzw. entwertete oder ausländische Kennzeichen (BT-Drucks 19/27654, S. 85). Die Aufzählung in § 163g Abs. 1. S. 1 StPO ist enumerativ, weitere Daten dürfen nicht erhoben werden (BT-Drucks 19/27654, S. 85).
Hinweis:
Die Ablichtungen der passierenden Kraftfahrzeuge dürfen zudem ausschließlich dafür genutzt werden, mithilfe einer Software die Ziffernfolge des Kennzeichens auszulesen. Eine Speicherung oder Auswertung von weiteren Elementen der Ablichtungen, etwa die Feststellung, mit wie vielen Personen ein Fahrzeug besetzt ist/war, oder gar ein ggf. technisch möglicher Gesichtsabgleich zur Identifizierung von Zielpersonen, ist nicht zulässig (BT-Drucks 19/27654, S. 8).
4. Abgleich (§ 163g Abs. 2 StPO)
In § 163g Abs. 2 StPO ist die Befugnis zum Abgleich der erhobenen Kennzeichen geregelt. Die schließt sich computergestützt unmittelbar an die Erhebung an. Nach § 163g Abs. 2 S. 1 StPO darf die nach Abs. 1 ausgelesene Ziffernfolge des Kennzeichens nur mit Kennzeichen von solchen Kraftfahrzeugen abgeglichen werden, die einer der in Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 genannten Zielpersonen zuzuordnen sind. Die Aufzählung ist abschließend. Erfasst werden nach Nr. 1 Kraftfahrzeuge, die auf den Beschuldigten als Halter zugelassen sind oder – wofür tatsächliche Anhaltspunkte bestehen müssen – mutmaßlich von ihm genutzt werden, ohne dass er deren Halter ist. Zielpersonen können aber nach Nr. 2 statt oder neben dem Beschuldigten auch sog. Kontaktpersonen sein.
Hinweis:
Der Datenabgleich hat nach § 163g Abs. 2 S. 2–4 StPO unverzüglich nach der Erhebung im sog. "hit/no hit"-Verfahren zu erfolgen (BVerfG NJW 2019, 827; BT-Drucks 19/27654, S. 86). Erforderlich ist danach also ein Prüfungsablauf, wie er vom BVerfG (a.a.O.) auch für den Einsatz von AKLS im Gefahrenabwehrrecht für zulässig erachtet wurde.
5. Verfahren
Die Anordnungskompetenz ist in § 163g Abs. 3 StPO geregelt. Vorgesehen ist eine abgestufte Anordnungskompetenz, die der Regelung in § 131c Abs. 1 S. 2 StPO – Ausschreibung nach § 131a Abs. 1 und 2 StPO – (dazu Burhoff, EV, Rn 2205 ff.) – folgt. Das bedeutet: Grds. ist die Staatsanwaltschaft zur Anordnung befugt (§ 163g Abs. 3 S. 1 StPO). Ausnahmsweise besteht nach § 163g Abs. 3 S. 4 StPO bei "Gefahr im Verzug" (dazu Burhoff, EV, Rn 1609 ff.) auch eine Anordnungsbefugnis für die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG).
Die Anordnung der Maßnahme durch die Staatsanwaltschaft ergeht nach § 163g Abs. 3 S. 1 StPO schriftlich. In der schriftlichen Anordnung müssen nach § 163g Abs. 3 S. 2 StPO die Vorausse...