Der Begriff des Verletzten war in der StPO bislang nicht ausdrücklich bestimmt, obwohl sich an die Verletzteneigenschaft Verfahrensrechte knüpfen, wie z.B. das Recht zur Akteneinsicht nach § 406e StPO (dazu Burhoff, EV, Rn 330), die Möglichkeit einen Antrag nach § 172 StPO – Klageerzwingungsverfahren – (Burhoff, EV, Rn 2526), das Recht zur Nebenklage (Burhoff, EV, Rn 2829) oder auch das Recht auf einen Verletztenbeistand/Opferanwalt (Burhoff, EV Rn 4349). Durch das Gesetz ist nun in einem neuen § 373b StPO der Begriff des Verletzten ausdrücklich definiert worden. Eingestellt worden ist diese Neuregelung in einen neuen ersten Abschnitt des "Fünften Buches", das die "Beteiligung des Verletzten am Verfahren" regelt. Damit ist die Regelung an einer Stelle in der StPO erfolgt, an der auch wesentliche Rechte und Befugnisse des Verletzten, wie z.B. die Nebenklage in den §§ 385 ff. StPO, die Möglichkeit, Entschädigung im Adhäsionsverfahren geltend zu machen (§§ 403 ff. StPO), sowie die Akteneinsicht des Verletzten (§ 406e StPO) und auch der Verletztenbeistand/Opferanwalt geregelt werden. Die (Neu)Regelung in § 373b StPO dient der Umsetzung der sog. Opferschutzrichtlinie der EU. Diese gebraucht zwar in Art. 2 Nr. 1 Buchst. a Ziff. i nicht den Begriff des Verletzten, sondern den des Opfers. Die StPO hat aber den weiteren Begriff des Verletzten beibehalten. Das ist/war mit der Richtlinie vereinbar. Die Umsetzung einer EU-Richtlinie verlangt von einem Mitgliedstaat, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten. Soweit es der Zielsetzung der Richtlinie nicht widerspricht, darf ein Mitgliedstaat Rechte aber auch in einem größeren Umfang gewähren als von der Richtlinie vorgegeben (BT-Drucks 19/27654, S. 39 ff., 98).
Hinweis:
Bei der Regelung in § 373b StPO handelt es aber nicht um eine Regelung nur für die Vorschriften des Fünften Buches, sondern um eine allgemeine, für die ganze StPO geltende Begriffsbestimmung (BT-Drucks 19/27654, S. 97). Rechte von Verletzten finden sich nicht nur im Fünften Buch, sondern auch in anderen Teilen der StPO, wie z.B. u.a. in §§ 48 Abs. 1 S. 3, 68a Abs. 2, 69 Abs. 2 S. 2, 111l, 111n, 155a, 158, 171, 172, 406d bis 406k StPO (vgl. a. noch BT-Drucks 19/27654, S. 39 ff.). Damit hat die Neuregelung erhebliche Auswirkungen in der Praxis.
Von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
ZAP F. 22, S. 881–890