Eigentlich müssten Ansprüche gegen die Hersteller von sog. Schummeldieseln bereits verjährt sein. Denn die Manipulation der Abgassysteme ist spätestens seit Ende 2015 allgemein bekannt und die dreijährige Verjährungsfrist für deliktische Ansprüche demzufolge längst abgelaufen. So sahen es bisher auch mehrere Instanzgerichte (vgl. etwa OLG Oldenburg, Urt. v. 2.10.2020 – 11’U’76/20, s. ZAP Anwaltsmagazin 2020, S. 1095 und OLG Naumburg, Urt. v. 25.6.2020 – 8 U 34/20).
Für eine typische Fallkonstellation gilt dies allerdings nicht, entschied aktuell der BGH und hob die vorgenannte Entscheidung des OLG Naumburg wieder auf. Hatte der Kläger nämlich vor Erhebung seiner Individualklage seine Ansprüche zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage angemeldet, ist die Verjährung gehemmt, entschieden die Karlsruher Richter (BGH, Urt. v. 29.7.2021 – VI ZR 1118/20).
Der Fall: Der Kläger erwarb im September 2013 einen gebrauchten VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 ausgestattet war. Volkswagen erklärte im September 2015 in einer Ad-hoc-Mitteilung, dass bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren vom Typ EA189 auffällige Abweichungen zwischen den auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerten und denen im realen Fahrzeugbetrieb festgestellt worden seien. In der Folge trat der Hersteller wiederholt an die Öffentlichkeit und auch die Medien berichteten umfangreich über das Geschehen. Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage verlangte dann der Kläger, nachdem er seine Ansprüche zuvor zum Klageregister der Musterfeststellungsklage an- und wieder abgemeldet hatte, Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Zahlung von Wertersatz maximal i.H.d. erzielten Erlöses für das zwischenzeitlich weiterveräußerte Fahrzeug. Volkswagen hat u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.
Vor dem OLG Naumburg hatte diese Einrede Erfolg, vor dem BGH allerdings nicht. Der Senat stellte zunächst fest, dass sich dem Kläger keine – den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist im Jahr 2015 auslösende – grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorwerfen lässt. Das Berufungsgericht habe es versäumt festzustellen, ob der Kläger allgemein vom sog. Dieselskandal Kenntnis erlangt hatte. Eine solche Feststellung könne angesichts der umfangreichen Medienberichterstattung zwar naheliegen, sei aber Sache des Tatrichters.
Darüber hinaus stehe der erhobenen Einrede der Verjährung die Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung des klägerischen Anspruchs zum Klageregister der Musterfeststellungsklage entgegen. Diese Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB trete im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grds. bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein, auch wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst im Jahr 2019 und damit nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt sein sollte.
Dem Kläger, so stellt der BGH abschließend fest, sei es auch nicht allein deshalb nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf diesen Hemmungstatbestand zu berufen, weil er seinen Anspruch ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung zum Klageregister angemeldet habe.
[Quelle: BGH]