In § 96 BetrVG wird ein neuer Abs. 1a eingefügt, der die Einschaltung einer Einigungsstelle auch für den Bereich der Berufsbildung ermöglicht:

Zitat

„(1a) Kommt im Rahmen der Beratung nach Absatz 1 eine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung nicht zustande, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen.”

Diese Regelung ist im Vorfeld arbeitnehmer- wie arbeitgeberseitig angegriffen worden. Für den DGB fehlt es an einer durchsetzbaren Mitbestimmung, weil die Einigungsstelle „nur” eine Einigung versuchen soll, ohne dass sie durch einen abschließenden Spruch entscheidet (DGB in: Materialien S. 102). Die Arbeitgeberseite hingegen beklagt gerade die Möglichkeit, eine Einigungsstelle in Berufsbildungsfragen anrufen zu können als Einführung einer Mitbestimmung und befürchtet dadurch entstehende zusätzliche Kosten und Verzögerungen (BDA in Materialien S. 8; HDE in Materialien S. 203). Durch die zunehmende Umgestaltung der Arbeitswelt etwa durch Digitalisierung oder die stärkere Berücksichtigung von Homeoffices und ihre Bedeutung für die Arbeitnehmer ist eine stärkere Einbindung ihrer Interessensvertretung angezeigt, ohne die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zu stark zu beschneiden.

Auch verändern sich angesichts der demographischen Entwicklung und der öffentlich vorgetragenen Forderung nach der Verlängerung der Lebensarbeitszeit bzw. des Hinausschiebens des Renteneintrittsalters die Anforderungen an die Lebensarbeitszeit. Es ist daher sinnvoll, dass sich Betriebsräte noch mehr als bisher nicht nur die fachliche, sondern auch die gesundheitliche Weiterqualifizierung älterer Arbeitnehmer, aber auch Teilzeitbeschäftigter und Arbeitnehmern mit Familienpflichten als Handlungsfeld erschließen (Vgl. hierzu Weber/Peschkes de Boer, Return to work – Arbeit für alle, Stuttgart 2015, ins. S 357 ff.). Das bereits gem. § 96 Abs. 1 S. 2, 3 BetrVG bestehende Beratungs- und Vorschlagsrecht des Betriebsrats wird dabei durch den neuen Abs. 1a des § 96 BetrVG nicht wirklich erweitert. Mit dem neuen Einigungsstellenverfahren hat der Betriebsrat aber nun die Möglichkeit, diese Beratungen so zu vertiefen, dass im Fall von Meinungsverschiedenheiten wenigstens Konfliktlösungen mit Hilfe der Einigungsstelle möglich scheinen.

Die Art der neu vorgesehenen Einigungsstelle ist eine Neuschöpfung, die zusätzlich zu den vorhandenen Einigungsstellen hinzutritt: In der erzwingbaren Mitbestimmung gem. § 76 Abs. 5 BetrVG ist die Anrufung der Einigungsstelle durch eine Seite sowie ein den Streit beilegenden Spruch der Einigungsstelle vorgesehen. Im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung wird sie nur im beiderseitigen Einverständnis tätig, und die Verbindlichkeit des Einigungsstellenspruchs bedarf der beiderseitigen Akzeptanz der Betriebspartner, § 76 Abs. 6 BetrVG.

Die neue Regelung schafft zwar die Möglichkeit, die Einigungsstelle wie bei der erzwingbaren Mitbestimmung einseitig einzuschalten. Sie hat jedoch kein Recht, ein Verfahren durch einen Spruch zu entscheiden, und zwar weder abschließend noch unter dem Vorbehalt der beiderseitigen Anerkennung wie bei der freiwilligen Mitbestimmung. Die Einigungsstelle wird lediglich um „Vermittlung” angerufen und „versucht” eine Einigung zwischen den Parteien. Die Einigungsstelle ohne Entscheidungs- und Spruchfunktion ist erschaffen! Der Sache nach handelt es sich daher um ein parteivertrauliches und strukturiertes Verfahren, in dem mit Hilfe eines neutralen Dritten freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung des Konflikts anstreben. Das entspricht der gesetzlichen Definition eines Mediationsverfahrens gem. § 1 Abs. 1, 2 MedG.

Das der Mediation zugrundeliegende Freiwilligkeitsprinzip ist gewahrt. Zwar beruht das Verfahren auf der Initiative, die anzunehmenderweise eher vom Betriebsrat ausgeht. Dass die Arbeitgeberseite dann zwar Teil des Verfahrens ist, widerspricht dem Freiwilligkeitsprinzip nur auf den ersten Blick. Aber die Freiwilligkeit bei der Initiierung des Verfahrens ist kein absolutes Prinzip, wie etwa ein Blick auf den Täter-Opfer-Ausgleich (§§ 46a StPO, 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG) oder auf Familienangelegenheiten i.S.d. § 165 FamFG zeigt (Horstmeier, Das neue Mediationsgesetz, München 2013, Rn 134). Maßgeblich für die Gewährleistung des Freiwilligkeitsprinzips ist es, dass eine Partei aus eigenem Entschluss das Verfahren jederzeit beenden kann, § 2 Abs. 5 S. 1 MedG, sie also nicht zu einer Einigung verpflichtet ist. Insofern ist die Lage vergleichbar mit einer Mediationsklausel in einem Vertrag, wonach die Parteien verpflichtet sind, vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine Mediation zu versuchen (Horstmeier Rn 530). Daher ist die Formulierung in der Gesetzesbegründung, es handele sich um eine „moderierende Funktion” (Gesetzesbegründung S. 22) der Einigungsstelle, fehlerhaft. Denn ein Moderator konzentriert sich allein auf prozedurale Fragen, er erteilt das Wort usw., abe...

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