Die Norm des § 155a FamFG (vgl. auch Keuter FamRZ 2012, 825) regelt ergänzend zu § 1626a Abs. 2 BGB die Besonderheiten des gerichtlichen Verfahrens mit eingeschränkter richterlicher Ermittlungspflicht:
§ 155a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 FamFG ist zu entnehmen, dass die gemeinsame Sorge nicht verheirateter Eltern in einem schnellen, schriftlichen Verfahren durchgesetzt werden soll. Nur wenn Gründe bekannt werden, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen, sind sie in mündlicher Verhandlung zu erörtern und zu prüfen. Eine der gesetzlichen Vermutung des § 1626a Abs. 2 BGB entsprechende Entscheidung soll ohne mündliche Verhandlung ergehen können (OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.10.2014 – 13 UF 206/13, NJW 2015, 964).
Hinweis:
Die Regelung findet nur auf Verfahren Anwendung, in denen es um die erstmalige Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Abs. 1 BGB geht, d.h. die Vaterschaft geklärt und die Mutter Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge ist. Eine Mutter, der nach § 1666 BGB die elterliche Sorge teilweise oder ganz entzogen worden ist, kann kein Verfahren nach § 155a FamFG einleiten.
Das Verfahren wird ausschließlich auf Antrag (§ 23 FamFG, § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB) eingeleitet, der gem. § 155a Abs. 2 S. 2 FamFG von jedem Elternteil gestellt werden kann. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 152 FamFG. Zulässig ist also auch ein Antrag der Kindesmutter, damit diese den vordergründig sorgeunwilligen Kindesvater in eine gemeinsame Sorge einbinden kann (BT-Drucks 17/11048, S. 16).
Praxistipps:
- Da die Abgabe einer Sorgeerklärung beim Jugendamt gem. § 64 SGB X kostenfrei ist, sollte in Verfahren, für die Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, zunächst die Gegenseite aufgefordert werden, gemeinsam eine Sorgeerklärung beim Jugendamt abzugeben, um einer Versagung der Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit vorzubeugen.
- Der Vater kann allerdings nur dann einen Antrag stellen, sofern er wirksam die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB (ggf. auch nach § 1594 Abs. 4 BGB auch schon vor der Geburt des Kindes) anerkannt hat oder diese gerichtlich nach § 1592 Nr. 3 i.V.m. § 1600d BGB nach § 182 Abs. 2 FamFG festgestellt worden ist. Die bloße Behauptung der Vaterschaft genügt nicht, das Familiengericht muss einen Nachweis fordern (§ 27 FamFG).
- Nicht antragsberechtigt ist ein nur leiblicher, aber nicht rechtlicher Vater. Dies kann bei Weigerung der Mutter, der Anerkennung der Vaterschaft zuzustimmen, zu einer erheblichen Verzögerung schon vor Einleitung des Verfahrens führen, weil der Vater zunächst die Feststellung der Vaterschaft betreiben muss (Heilmann NJW 2013, 1475).
Bei der Durchführung des vereinfachten Verfahrens gem. § 155a Abs. 3 FamFG sind die Rechte des Kindes auf eine dem Kindeswohl entsprechende Entscheidung und auch die Rechte der Eltern auf rechtliches Gehör zu berücksichtigen. Zwar stellt der Gesetzgeber mit § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB die Vermutung auf, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht, dies entbindet das Gericht jedoch nicht davon, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob von der Kindesmutter lediglich abstrakt und allgemein gehaltene Befindlichkeiten vorgebracht oder aber Gründe vorgetragen werden, die als zutreffend unterstellt – konkret das Kindeswohl betreffen. Nur im ersten Fall ist eine Entscheidung im vereinfachten Verfahren zulässig, anderenfalls muss in das Verfahren nach § 155 Abs. 3, Abs. 4 FamFG gewechselt werden. Gerade weil im vereinfachten Verfahren weder eine Anhörung des Jugendamtes erfolgt noch rechtliches Gehör für das Kind überhaupt vorgesehen ist (sei es durch persönliche Anhörung oder auch Einschaltung eines Verfahrensbeistands), ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Zudem unterstellt der Gesetzgeber, dass die Kindesmutter als Elternteil schriftlich so gewandt und der deutschen Sprache mächtig ist, also die Tragweite des Verfahrens verstehen und Argumente gegen oder auch für die elterliche Sorge vorbringen kann (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.6.2014 – 18 UF 103/14, FamRZ 2014, 1797).
Praxistipps:
- Trägt die Mutter innerhalb der gesetzten Frist schriftlich Bedenken vor, die das Kindeswohl betreffen, richtet sich das Verfahren ausschließlich nach den Grundsätzen der §§ 151 ff. FamFG und ist beschleunigt durchzuführen.
- Das vereinfachte Verfahren gem. § 155a Abs. 3 FamFG darf nur dann durchgeführt werden, wenn die Mutter in ihrer Stellungnahme zum Antrag auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge keinerlei konkrete kindbezogene Argumente vorträgt (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.6.2014 – 18 UF 103/14, FamRZ 2014, 1797).
- Fehlt es dagegen an für das Kindeswohl relevanten Einwendungen, soll das Gericht ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass...