1 Neue Regelungen für grenzüberschreitende Familiensachen
Aus „Brüssel IIa” ist „Brüssel IIb” geworden: Am 1. August dieses Jahres hat die Verordnung (EU) 2019/1111 (kurz: Brüssel-IIb-Verordnung) die bisherige Verordnung (EG) 2201/2003 (kurz: Brüssel-IIa-Verordnung) abgelöst. Damit gelten bei der internationalen Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in internationalen Familiensachen, insb. auch bei internationalen Kindesentführungen, seit einigen Tagen neue Regelungen.
Die neue Verordnung regelt für die gesamte EU mit Ausnahme von Dänemark die internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren, die die elterliche Verantwortung und internationale Kindesentführungen betreffen. Die Änderungen gegenüber der Vorgängerverordnung sind im Wesentlichen:
- Beschleunigung des Verfahrens in Kindesentführungsverfahren: die Behörden müssen schneller agieren; auch die zweitinstanzlichen Gerichte müssen nun innerhalb von sechs Wochen entscheiden. Gestärkt wurden auch die außergerichtliche Streitschlichtung und die Mediation.
- Das Recht des betroffenen Kindes auf Anhörung im Verfahren ist weiter gestärkt worden.
- Im Bereich der elterlichen Verantwortung können Gerichtsstandsvereinbarungen jetzt dezidierter und abschließend getroffen werden, z.B. im Rahmen von Rückführungsverfahren.
Familienrechtsexperten haben bereits Kritik an der Neuregelung geübt: Der Umfang der neuen Verordnung habe sich gegenüber der Vorgängerversion in etwa verdoppelt. Sie sei deshalb schwer zu handhaben und zudem kompliziert formuliert. Trotz ihres Umfangs seien für den Praktiker viele Stellen unklar geblieben. Es bestehe deshalb für alle Familienrechtler ein erheblicher Schulungsbedarf für alle neuen Verfahren ab dem 1. August. Zudem stören sich die Kritiker an einem weiteren Aspekt: Für Altverfahren gelte weiterhin die Brüssel-IIa-VO, d.h. für eine geraume Zeit seien beide Verordnungen weiterhin parallel anzuwenden. Das verkompliziere die Rechtsanwendung.
[Red.]
2 Online-Gründungen von GmbH und UG jetzt möglich
GmbH und UG können jetzt auch ohne Notarbesuch gegründet werden. Auch viele Handelsregisteranmeldungen können Notare nun online beglaubigen. Darauf hat die Bundesrechtsanwaltskammer hingewiesen.
Für die GmbH sowie deren Unterform, die UG (haftungsbeschränkt), ist es seit dem 1. August möglich, mit einer Bareinlage online zu gründen. Auch Handelsregisteranmeldungen, bei denen zuvor ein Notarbesuch notwendig war, können jetzt online beglaubigt werden. Hintergrund sind zwei Gesetze: Zum einen das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG), das am 13.8.2021 verkündet wurde und die Vorgaben der EU-Digitalisierungsrichtlinie (2019/1151/EU) umsetzt. Ziel der Richtlinie ist es u.a., die grenzüberschreitende Gründung von Gesellschaften mit digitalen Hilfsmitteln zu vereinfachen. Deutschland hat dabei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Umsetzungsfrist um ein Jahr zu verlängern. Bereits zuvor hat der Gesetzgeber das DiRUG um das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiREG) erweitert. Es wurde am 21. Juli dieses Jahres verkündet und tritt in Teilen ebenfalls bereits am 1. August, teilweise aber erst zum 1.8.2023 in Kraft.
Die wichtigste Änderung des DiRUG: Seit dem 1.8.2022 kann die zwingend erforderliche notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags einer GmbH oder UG online erfolgen. Gleiches gilt auch für die i.R.d. Gründung gefassten Gesellschafterbeschlüsse sowie für die Bestellung der ersten Geschäftsführer. Die möglicherweise in der Welt verstreuten (zukünftigen) Gesellschafter müssen nicht mehr persönlich vor einem Notar erscheinen. Das spart Zeit, Mühen und Kosten und erleichtert damit die flexible Gründung u.a. von Start-ups. Zunächst ist diese Möglichkeit allerdings auf Gesellschaften beschränkt, bei denen die Gesellschafter das Stammkapital als Bareinlage erbringen. Erst das DiREG wird ab 2023 diese Möglichkeit auch auf Gründungen mit ausschließlicher oder teilweiser Sacheinlage erweitern.
Der Notar oder die Notarin darf dabei allerdings nur ein von der Bundesnotarkammer bereitgestelltes, besonders gesichertes Videokommunikationssystem verwenden. Private Anbieter wie Zoom oder Skype sind nicht erlaubt. Das neue System muss sowohl die Kommunikation in Echtzeit als auch die elektronische Übermittlung von Dokumenten und Vertragsentwürfen ermöglichen. Das neue Verfahren wird durch Änderungen in § 2 GmbHG sowie Anpassungen in den §§ 16a ff. BeurkG und der BNotO geregelt und umfasst im Wesentlichen folgenden Ablauf:
- Zunächst müssen sich die Beteiligten nach § 16c BeurkG n.F. über ein Zwei-Faktor-Verfahren identifizieren: Dabei erfolgt erst die elektronische Identifizierung mit einem Ausweisdokument der EU, welches eine eID-Funktion aufweist. In einem zweiten Schritt wird das Lichtbild auf dem Ausweis elektronisch ausgelesen. Außerdem müssen der Notar bzw. die Notarin das Foto mit dem Erscheinungsbild der online zugeschalteten Personen abgleichen.
- Anschließend errichtet der Notar bzw. die Notarin gem. § 16b BeurkG n.F. eine elektronis...