Der sexuelle Übergriff verlangt als sog. Hands-on-Delikt eine körperliche Berührung (die beispielsweise auch in dem Bespritzen mit Sperma liegen kann, s. AG Lübeck, Urt. v. 8.6.2021 – 61 Ds 61/11) in Form der sexuellen Handlung. Die Handlung kann bereits objektiv sexualbezogen sein, etwa wenn am Genital des Opfers manipuliert (BGH, Urt. v. 10.3.2016 – 3 StR 437/15, NStZ 2017, 156, 157) oder die Brust unterhalb der Kleidung für einige Augenblicke festgehalten wird (BGH, Urt. v. 26.4.2017 – 2 StR 580/16, NStZ 2018, 91, 92). Bei sonstigen, äußerlich ambivalenten Handlungen wie beispielsweise der Durchführung einer – vermeintlichen – medizinischen Untersuchung (BGH, Urt. v. 10.3.2016 – 3 StR 437/15, NStZ 2017, 156, 157) oder dem Ausziehen von Kleidung (BGH, Beschl. v. 23.2.2017 – 1 StR 627/16, StRR 2017, Nr. 8,3 = NStZ-RR 2017, 140, 141; für einen bereits objektiven Sexualbezug BGH, Beschl. v. 20.3.2015 – 5 StR 521/14, NStZ 2015, 457, 457) ist die sexuelle Motivation objektiv unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gesondert festzustellen (st. Rspr., s. etwa BGH, Urt. v. 21.9.2016 – 2 StR 558/15, NStZ 2017, 528, 528; BGH, Urt. v. 7.6.2018 – 4 StR 63/18, NStZ-RR 2018, 341, 342).
Im Übrigen ist der Begriff der sexuellen Handlung unter Heranziehung von § 184h Nr. 1 StGB zu bestimmen, wonach nur solche Handlungen umfasst sind, die – nach ihrer Art, Intensität und Dauer (st. Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 10.3.2016 – 3 StR 437/15, NStZ 2017, 156, 157; BGH, Urt. v. 26.4.2017 – 2 StR 580/16, NStZ 2018, 91, 92) – im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Bei der danach erforderlichen normativen Wertung sind insb. die Beziehung zwischen den Beteiligten und die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 8.2.2006 – 2 StR 575/05, NStZ-RR 2007, 12, 13). Die Erheblichkeit der sexuellen Handlung grenzt den sexuellen Übergriff von der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB ab, die lediglich eine körperliche Berührung in sexuell bestimmter Weise voraussetzt.
Hinweis:
Auch bei einem Kuss(versuch) kann die Erheblichkeit und somit ein sexueller Übergriff zu bejahen sein, wenn der Täter das ihm völlig unbekannte Opfer in den Abendstunden auf offener Straße plötzlich am Handgelenk packt, an sich zieht, es beharrlich mit kräftigem Griff festhält und zwischendurch an eine Hauswand drückt, wobei sich das Opfer wegen seiner körperlichen Unterlegenheit nicht wehren kann (KG Berlin, Beschl. v. 2.8.2021 – 121 Ss 81/21).