Vor fünf Jahren musste sich der EuGH mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden Transporten beschäftigen (Urt. v. 29.6.2017 – C-288/16). Eigentlich kein Anlass, sich jetzt noch einmal oder gar erstmalig intensiver mit dieser Entscheidung zu befassen, so sollte man meinen. Aber die Umsetzung dieses Urteils in die Praxis der bundesdeutschen Finanzverwaltung zog sich über einen längeren Zeitraum hin, sodass es erst seit Kurzem in der anwaltlichen Beratungspraxis eine Rolle spielt und aller Wahrscheinlichkeit nach künftig noch verstärkt zu beachten sein wird.

Hintergrund hierfür ist, dass die Finanzverwaltung das Urteil zunächst jahrelang komplett ignorierte und hiernach die Anwendung in der Praxis mehrfach verschob. Erst mit den BMF-Schreiben v. 14.10.2020, III C 3 – S 7156/19/10002:002 und v. 27.9.2021, III C 3 – S 7156/19/10002:006 wurde die Anwendung endgültig auf den 1.1.2022 festgelegt. Dies ist bei den betroffenen Unternehmen in der Praxis jedoch noch nicht angekommen.

Der Anwendungsbereich des Art. 146 Abs. 1 lit. e der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) sowie des hierauf basierenden § 4 Abs. 3 Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist durch das Zusammenspiel von EuGH und Bundesfinanzministerium stark eingeschränkt worden: Umsatzsteuerbefreit ist eine Beförderung von Deutschland in Drittstaaten dann nur noch bei der Leistungserbringung des Erstspediteurs gegenüber dem Versender bzw. des Hauptfrachtführers gegenüber dem Absender.

Subunternehmer oder andere in die Auftragsabwicklung eingeschaltete Unterauftragnehmer können diese Art der Umsatzsteuerbefreiung hingegen nicht mehr in Anspruch nehmen. Es besteht bei diesen Leistungserbringern nach Auffassung des EuGH kein Unmittelbarkeitszusammenhang zum zu transportierenden Gut. Diese Auslegung überrascht zumindest, da man als Transport- und Speditionsrechtler aus dem Bauch heraus vermutlich dazu tendiert hätte, den unmittelbaren Zusammenhang eher am anderen Ende der Transportkette zu verorten. Der Frachtführer, der die Güter zum Zeitpunkt des Grenzübertritts in seiner Obhut hat, erbringt schließlich die unmittelbare mit dem Export zusammenhängende Beförderungsleistung. Dieser sog. ausführende Frachtführer ist schließlich derjenige, der die Güter unmittelbar ins Drittland verbringt. Entscheidend für den EuGH war jedoch nicht die transportrechtliche, sondern die steuerrechtliche Sichtweise. Bei dieser sollte man sich besser nicht auf sein Bauchgefühl verlassen.

Die Änderung ist nicht nur für Unternehmen der Transportbranche von Bedeutung. Sie betrifft gleichermaßen deren Auftraggeber. Denn im Falle der umsatzsteuerlichen Falschbehandlung, fehlerhafter Dokumente oder falscher Abrechnungen drohen allen Beteiligten nicht unerhebliche Risiken. Beispielhaft erwähnt seien Steuernachforderungen der Finanzämter i.H.v. aktuell 19 % (zzgl. Zinsen) für die Dienstleister sowie die Aberkennung des Vorsteuerabzugs in gleicher Höhe für die Auftraggeberseite.

Dementsprechend müssen beide Seiten darauf achten, dass die beleghafte Dokumentation in Ordnung ist. Denn etwaige, aus einer Prüfung des Finanzamts resultierende Ansprüche können aller Wahrscheinlichkeit nach, selbst wenn sie auf einen Fehler des Vertragspartners zurückzuführen sind, nicht mehr diesem gegenüber geltend gemacht werden. Denn solche Ansprüche auf Rückzahlung oder Nachzahlung unterliegen dabei den kurzen, transportrechtlichen Verjährungsregelungen nach § 439 HGB. Diese beträgt i.d.R. ein Jahr und beginnt spätestens mit dem Abschluss des Transports.

Rechtsanwalt Carsten Vyvers, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht, Speditionskaufmann, Frankfurt a.M.

ZAP F., S. 825–825

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