„Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes ("für"‘) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.”
Hier hat der BGH zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. der Rechtsbeschwerde stattgegeben und entschieden, dass der Kläger durch die Verwerfung der Berufung in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, welches es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren, verletzt sei. Damit wurde Klarheit geschaffen, denn die Anbringung der einfachen Signatur (eeS = Namensangabe unter dem Schriftsatz) und die Anbringung der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) durch die PIN-Eingabe auf dem Kartenlesegerät (Ersetzung der eigenhändigen Unterschrift) wurde bislang von der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.
Das BayObLG hatte verlangt, dass eine eeS und eine gleichzeitig angebrachte qeS übereinstimmen müssen (BayObLG, Beschl. v. 19.1.2023 – 207 StRR 2/23). Das BAG hatte sich 2019 zur Formwirksamkeit eines Schriftsatzes geäußert, bei dem eeS und qeS nebeneinander angebracht waren, aber unterschiedliche Personen auswiesen. Hier wurde zugunsten des Einreichers der qeS entschieden (BAG, Beschl. v. 24.10.2019 – 8 AZN 589/19).
Der BGH führt hierzu aus:
Zitat
„Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO einreichen.
Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht. Wird der Schriftsatz hingegen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, entsprechen deren Rechtswirkungen unmittelbar denen einer handschriftlichen Unterschrift des Rechtsanwalts gemäß § 130 Nr. 6 ZPO. Durch die Einreichung eines elektronischen Dokuments mit der qualifizierten elektronischen Signatur eines Rechtsanwalts übernimmt dieser mithin nicht anders als bei einer handschriftlichen Unterzeichnung eines Schriftsatzes die Verantwortung für dessen Inhalt und ist daher verantwortende Person im Sinne von § 130a Abs. 3 Fall 1 ZPO.
Der Übernahme der Verantwortung durch den qualifiziert elektronisch signierenden und von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt für den Schriftsatzinhalt steht es nicht entgegen, dass das elektronische Dokument am Schluss seiner Ausführungen den Namen eines anderen Rechtsanwalts als Verfasser nennt.”
Abkehr von der bisherigen Rspr.:
Zitat
„Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwalts Wirksamkeitsvoraussetzung für einen bestimmenden Schriftsatz, wie etwa für eine Berufungsbegründungsschrift gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO.
Damit sollte die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutete dies allerdings nicht, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden musste. Maßgeblich war vielmehr allein, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt den gegebenenfalls von einem anderen formulierten Schriftsatz nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigte und unterschrieb.
Nach dieser Rechtsprechung verstand es sich zudem für einen unterzeichnenden Rechtsanwalt im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift zugleich auch eine entsprechende Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen. Schließlich bedurfte es nach dieser Rechtsprechung bei Unterzeichnung eines mit dem maschinenschriftlichen Namen seines Verfassers abschließenden Schriftsatzes durch einen anderen von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt auch nicht eines klarstellenden Zusatzes, wie etwa der Verwendung des Worts "für". Denn bereits dem Umstand der Un...