1. Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei Umgangsboykott
Dem Antrag eines getrenntlebenden Elternteils, ihm das Alleinsorgerecht oder einen Teil zu übertragen, ist gem. § 1671 BGB stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Das BVerfG (Beschl. v. 17.11.2023 – 1 BvR 1076/2, FamRZ 2024, 278 m. Anm. Keuter) hebt hervor, dass die bei der Entscheidung erforderliche Abwägung aller Umstände des Einzelfalles nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist. Maßstab und Ziel einer Sorgerechtsentscheidung ist nicht der Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern. An einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung fehlt es, wenn die Entscheidung maßgeblich damit begründet wird, dass ein Elternteil dem anderen die Kinder entfremde, denn damit wird auf das überkommene und fachwissenschaftlich als widerlegt geltende Konzept des sog. Parental Alienation Syndrome zurückgegriffen.
Das BVerfG weist weiter auf die Beachtung des Kindeswillens hin. Dem Willen eines knapp zwölf Jahre alten Kindes kommt grds. nicht unerhebliche Bedeutung zu. Erscheint der Wille ernsthaft, stabil und zielgerichtet, muss die dem Kindeswillen nicht entsprechende Entscheidung erkennen lassen, worauf das Familiengericht die für sich in Anspruch genommene fachliche Expertise stützt, dass der Wille des Kindes seinen wahren Bindungen oder seinem Wohl nicht entspricht.
2. Kindeswohlgefährdung bei Verdacht auf Kindesmisshandlung
Das OLG Koblenz (Beschl. v. 17.11.2023 – 1 BvR 1076/23, FamRZ 2024, 282 m. Anm. Hammer) führt aus, dass nach § 1666 BGB in die elterliche Sorge einzugreifen ist, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch – auch unverschuldetes – Versagen der Eltern bzw. des allein sorgeberechtigten Elternteils objektiv und nachhaltig gefährdet wird, wobei jedwede Maßnahme nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen darf. Voraussetzung ist, dass eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Auch wenn – wie im entschiedenen Fall – die Gefahr weiterer körperlicher Misshandlungen des Kindes von einem Dritten, hier dem Lebensgefährten der Mutter, ausgeht, ist der Adressat der anzuordnenden Maßnahme der sorgeberechtigte Elternteil. Denn er besitzt kraft seiner sorgerechtlichen Befugnisse die Rechtsmacht, den Kontakt der Kinder zum Gefährder zu bestimmen und die Auflagen umzusetzen.
3. Rückführung aus der Familienpflege
Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht gem. § 1632 Abs. 4 BGB anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Nach Maßgabe dieser Vorschrift hat das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 26.7.2023 – 16 UF 69/23, FamRZ 2024, 184 m. Anm. Flux) ausführlich Fragen der Abwägung zwischen den Grundrechten der Eltern und der des Kindes, der Eignung der Pflegeperson und der Gefährdung des Kindeswohls durch Agieren der Mutter im Reichsbürgermilieu erörtert. Das Kindeswohl gebietet insb., auf seine zu den Pflegeeltern entstandenen Bindungen Rücksicht zu nehmen. Eine Gefährdung des Kindeswohls ist bei der begründeten Besorgnis anzunehmen, dass ein Aufenthaltswechsel zur Unzeit dem Kind voraussichtlich schwere und nachhaltige körperliche, geistige oder seelische Schäden zufügen würde. Wenn die Herausnahme des Kindes dem Wechsel der Pflegefamilie dient, genügt für eine Verbleibensanordnung bereits die Möglichkeit einer Kindeswohlgefährdung durch die Herausnahme.
4. Auskunftsrecht und Kindeswille
Nach § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
Das OLG Köln (Beschl. v. 3.7.2023 – 14 UF 42/23, FamRZ 2024, 715 = FuR 2024, 142 m. Hinweis Faber) weist darauf hin, dass ein berechtigtes Interesse i.d.R. schon aufgrund der grundrechtlich geschützten Elternstellung anzunehmen ist und dann besteht, wenn der betreffende Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit, insb. durch persönlichen oder brieflichen Kontakt zu dem Kind hat, um sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu informieren. Dem vom Kind geäußerten Willen, mit dem es von einem aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Recht zur Selbstbestimmung und seinem Recht zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit Gebrauch macht, kommt mit zunehmendem Alter mehr und mehr Bedeutung zu. Es widerspräche dem Kindeswohl des heranwachsenden Minderjährigen, wenn Daten übermittelt würden, die der Minderjährige als sensibel empfindet und nicht weiterreichen will.
Auch das OLG Brandenburg (Beschl. v. 15.11.2023 – 13 UF 62/2, FamRZ 2024, 711 m. Anm. Volke = FamRB 2024, 148 m. Hinweis Clausius) hat sich mit dem schwierigen Ausgleich der verschiedenen Grundrechtspositionen befasst bei einem Kontaktabbruc...