1. Ausbildungsanspruch
Der Unterhalt eines Kindes umfasst nach § 1610 Abs. 2 BGB die Kosten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf, der den Fähigkeiten, der Begabung, dem Leistungswillen, den beachtlichen Neigungen des Kindes entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Bei einer angestrebten Fortbildung muss das Berufsziel in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.
Das OLG Koblenz (Beschl. v. 15.9.2022 – 7 UF 363/22, FamRZ 2024, 42) betont, dass ein Anspruch auf fortgesetzten Ausbildungsunterhalt in der Konstellation „Lehre-Abitur-Studium” dem Grunde nach nicht nur besteht, wenn bei Aufnahme der praktischen Ausbildung der Weiterbildungswunsch schon offenbar war, sondern auch dann, wenn sich im Zuge dieser Ausbildung herausstellt, dass zunächst eine Fehleinschätzung der Begabung des Kindes vorlag und sich infolge einer „Nachreife” ergibt, dass das Anstreben des Abiturs mit nachfolgendem Studium sich als angemessene Ausbildung darstellt. Auch nach Vollendung der Volljährigkeit sei noch Raum für eine Nachreifung und diese für die Eltern nicht unvorhersehbar.
Nach Auffassung des OLG Oldenburg (Beschl. v. 14.12.2023 – 3 UF 127/2, FamRZ 2024, 934 = FuR 2024, 188 m. Hinweis Viefhues) stellt die Aufnahme einer Fachhochschulausbildung im Bereich Mediendesign nach dem Abschluss einer Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin eine Zweitausbildung dar. Es fehle an einem engen fachlichen Zusammenhang und der Annahme einer einheitlichen Ausbildung. Es reiche nicht aus, dass die Erstausbildung für die Zweitausbildung nützlich war. Allein der von vornherein bestehende Wille zur Absolvierung von zwei Ausbildungen reiche nicht für eine fortgesetzte Finanzierungspflicht auch der Zweitausbildung.
2. Überdurchschnittliche Lebensverhältnisse der Eltern
Nach § 1610 Abs. 1 BGB bemisst sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich bei minderjährigen Kindern bis zum Abschluss ihrer Ausbildung von den Eltern ableitet. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 18.5.2022 – XII ZB 325/20, FamRZ 2022, 1366) kommt es dabei auf die Lebensstellung beider Eltern an. Die Unterhaltsplicht ist aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens bei durchschnittlichem Einkommen – nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle – zahlen muss.
Der BGH (Beschl. v. 20.9.2023 – XII ZB 177/22, FamRZ 2024, 32) führt aus, dass bei höherem Einkommen sichergestellt werden muss, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht. Eine allgemeine feste Obergrenze besteht für den Kindesunterhalt nicht. Dem unterhaltsberechtigten Kind bleibt die Darlegung eines höheren Bedarfs unbenommen. Hierbei ist zu beachten, dass dieser keine bloße Teilhabe am Luxus der Eltern beinhaltet und nicht einer Vermögensbildung dient. Der Unterhalt ist auch maßgeblich durch das Kindsein geprägt. Welche Bedürfnisse gerechtfertigt sind, kann nur unter Würdigung der besonderen Verhältnisse der jeweiligen Beteiligten, namentlich auch einer Gewöhnung des Unterhaltsberechtigten an einen von seinen Eltern während des Zusammenlebens gepflegten aufwendigen Lebensstil, festgestellt werden. Die Bedürfnisse müssen von dem Unterhaltsberechtigten konkret dargelegt werden.
Das OLG Koblenz (Beschl. v. 27.7.2023 – 7 UF 152/23, FamRZ 2024, 39 = FUR 2024, 138 m. Hinweis Viefhues) weist darauf hin, dass Kindesunterhalt bis zur höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ohne Darlegung eines konkreten Bedarfs verlangt werden kann, darüber hinaus der Bedarf konkret dargelegt werden muss. Das Verlangen von Kindesunterhalt gemäß den besonders günstigen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen setzt nicht voraus, dass das Kind in der Vergangenheit vor der Trennung seiner Eltern bereits an diesen besonders günstigen Verhältnissen tatsächlich teilgenommen hat. Ein Kind leitet seinen jeweiligen Bedarf von den jeweiligen Lebensverhältnissen der Eltern ab, auch dann, wenn es nicht mit diesen gelebt hat; eine vorausgegangene Gewöhnung des Kindes an einen gehobenen Lebensstandard ist nicht erforderlich.
3. Leistungsfähigkeit
a) Fiktive Einkommensermittlung
Wenn ein Unterhaltspflichtiger unter Verletzung seiner gebotenen Obliegenheit keiner Arbeit nachgeht, ist ein erzielbares Einkommen fiktiv anzusetzen.
Das OLG Hamm (Beschl. v. 27.11.2023 – 4 UF 80/23, FamRZ 2024, 933 = MDR 2024, 377) geht davon aus, dass bei einem ungelernten Arbeitnehmer, für den eine gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB gesteigerte Erwerbsobliegenheit besteht, i.d.R. der Mindestlohn zugrunde zu legen ist. Das gilt aber dann nicht, wenn eine bestimmte Tätigkeit über längere Zeit ausgeübt worden ist und dort nachhaltig über den Mindestlohn hinausgehendes Einkommen erzielt worden ist. Im Rahmen der fiktiven Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens ist von einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auszugehen. Daneben kann eine fiktive Nebentätigkeit von wöchentlich bis zu acht Stunden angesetz...