Leitsätze der Bearbeiterin:
- Das Tragen einer bedruckten Robe verstößt gegen § 20 BORA. Sinn und Zweck des Robetragens besteht darin, dass Rechtsanwälte im Rahmen der gerichtlichen Verhandlung aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer herausgehoben werden. Ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege wird sichtbar gemacht.
- Die Hervorhebung der eigenständigen Organstellung des Rechtsanwalts dient mittelbar der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess.
- Das Tragen der schwarzen Robe erfolgt aus Gründen der Rationalität, Sachlichkeit und Verallgemeinerungsfähigkeit bei der Rechtsanwendung und ist in der Organstellung des Rechtsanwalts verankert. Auf den Grundsatz der sachlichen Werbung i.S.v. § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA kommt es daher nicht an. Jede Werbung auf der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe ist nach dem Sinn und Zweck des Robetragens ausgeschlossen, ebenso die sachliche Werbung.
- Will ein Rechtsanwalt eine Robe auch dort tragen, wo eine berufsrechtliche Pflicht nicht besteht, muss ihre äußere Gestaltung dennoch dem Sinn und Zweck des Robetragens entsprechen.
AGH NRW, Urt. v. 29.5.2015 – 1 AGH 16/15, ZAP EN-Nr. 705/2015
Bearbeiterin: Rechtsanwältin Dr. Giannina Terriuolo, Karlsruhe
I Einführung
Das Wachstum der Rechtsanwälte und der steigende Konkurrenzdruck verlangen aktive Marketingmaßnahmen. Außerhalb der Kreise der Freien Berufe ist es durchaus üblich, dass die Arbeitskleidung mit dem Firmenlogo oder ähnlichem versehen ist (nur außerhalb der Kreise der Freiberufler).
Gemäß § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt, soweit es üblich ist, als Berufstracht eine Robe. Das Tragen dieser Robe soll die Rechtsstellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege im Gerichtssaal unterstreichen (kritisch Gaier/Wolf/Göcken-Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 20 BORA Rn. 2). Der Rechtsanwalt wird äußerlich zur Parteirolle erhoben und den anderen Rechtspflegeorganen gleichgestellt. Daher wird die Verpflichtung des Rechtsanwalt, neben den Interessen des Mandanten, auch der Rechtspflege und Rechtsordnung zu dienen, hervorgehoben (vgl. Henssler/Prütting-Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 20 BORA, Rn. 3). Die Formulierung "soweit das üblich ist" bezieht sich nicht nur darauf, ob vor dem konkreten Gericht Rechtsanwälte eher mit Robe auftreten, sondern auch auf die optische Gestaltung der Robe (vgl. Henssler/Prütting-Prütting, a.a.O., § 20 BORA, Rn. 4).
II. Sachverhalt
Der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen (AGH) entschied eine Streitigkeit zwischen der Rechtsanwaltskammer Köln und einem ihrer Mitglieder. Das Mitglied, der Kläger, beabsichtigte zu Werbezwecken im oberen Rückenbereich seiner Robe, den aus acht Metern lesbaren Text "Kanzlei Dr. ... und www. ..." abzudrucken.
Nach Ansicht des Klägers sei der Anwalt, bei Aufdruck der Internetadresse auf der Robe, eindeutig gekennzeichnet. Er führte an, dass auch Fußballspieler auf dem Spielfeld gekennzeichnet seien, um sie identifizieren zu können. Zudem trügen nicht nur Ärzte Namensschilder, auch ein Klempner habe auf seinem Blaumann den Namen seiner Firma aufgedruckt.
Der Kläger bat die Beklagte um förmliche Beurteilung der Zulässigkeit dieser Werbemaßnahme. Die Beklagte gab dem Kläger in der Form eines belehrenden Hinweises auf, die Werbung wegen der Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht zu unterlassen. Es läge ein Verstoß gegen § 43b BRAO vor, da es sich um ein werbliches Auftreten handele, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer auf sich aufmerksam zu machen. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal ein falscher Ort für Werbung insgesamt sei. Ebenso sei ein Verstoß gegen § 20 BORA gegeben, da von der üblichen Berufstracht eindeutig mit werblichem Charakter abgewichen werden solle. Der Kläger wendete sich mit der Anfechtungsklage gegen das Werbeverbot der Beklagten.
III Entscheidung
Nach Ansicht des AGH verstößt die streitgegenständliche Werbemaßnahme bereits gegen § 20 BORA. Auf einen etwaigen Verstoß gegen § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA und gegen das berufsrechtliche Gebot der Sachlichkeit, kommt es daher nicht an.
Der AGH ließ die Werbemaßnahme an dem Sinn und Zweck von § 20 BORA scheitern. Der Rechtsanwalt soll im Rahmen der Verhandlung aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer herausgehoben werden. Seine Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege wird sichtbar gemacht. Allen Beteiligten werde dadurch klar, dass ihm eine eigene Organstellung zukommt, die besondere Rechte und Pflichten im Verfahren und in der Verhandlung begründen. Durch diese Hervorhebung seiner Stellung wird auch mittelbar die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess gefördert. Durch die Förderung der Übersichtlichkeit im Verhandlungssaal wird ein Beitrag zur Schaffung einer Atmosphäre von Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet – so der AGH. Aus dieser Funktion folgert der AGH, dass die Robe des Rechtsanwalts frei von werbenden Zusätzen zu sein hat.
Hinweis:
Der AGH betont zudem, dass es dann nicht auf eine Beurteilung von § 43b BRAO und der Sachlichkeit der Werbung ankommen kann. Das Tragen der schwarzen Robe erfolgt b...