Eine Diskrepanz zwischen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und dem Rechtsempfinden der Mehrheit der Mieter blieb aber bei der Möglichkeit der Abwälzung der Renovierungslast bei unrenoviert übergebenen Wohnungen. Nach der Rechtsprechung sollte auch hier die Abwälzung wirksam sein, wenn nur die Fristen erst mit Übergabe zu Laufen begannen. Diese Argumentation wurde schon länger als nicht überzeugend angesehen. Der BGH selbst hat dann durch seinen Hinweisbeschluss aus 2014 (BGH, Beschl. v. 22.1.2014 – VIII ZR 352/12) diese Bedenken aufgegriffen und eine Rechtsprechungsänderung angekündigt. Diese ist nun ganz umfassend durch drei Urteile vom 18.3.2015 erfolgt.
Hinweis:
Erwartungsgemäß hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Abwälzung der Schönheitsreparaturen bei unrenoviert übergebener Wohnung aufgegeben.
Der Senat (BGH NJW 2015, 1594 = NZM 2015, 374 = GE 2015, 649 = DWW 2015, 175 = WuM 2015, 338 = MietPrax-AK § 538 BGB Nr. 65 mit Anm. Eisenschmid; Schach GE 2015, 343; Lehmann-Richter NJW 2015, 1598; Harsch MietRB 2015, 161; Schach GE 2015, 624; Börstinghaus LMK 2015, 369251; Hartmann WuM 2015, 406) stellt dazu die Entwicklung der Rechtsprechung zur Abwälzung der Renovierungslast und die Entwicklung der Rechtsprechung zur Klauselkontrolle im Allgemeinen dar. Für ihn ist es dann nur konsequent, die formularvertragliche Abwälzung der Schönheitsreparaturlast dann für unwirksam zu erklären, wenn dem Mieter die Wohnung unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergeben worden ist, ohne dass dem Mieter hierfür ein angemessener Ausgleich gewährt wurde. Denn eine solche Klausel verpflichte den Mieter auch zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führe bei kundenfeindlichster Auslegung dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder ggf. in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat. Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme während des Mietverhältnisses anfallender Schönheitsreparaturen lasse sich bereits nach dem Wortlaut nicht auf die erst nach Mietbeginn entstehende Abnutzungsspuren beschränken. In der für den Mieter ungünstigsten (kundenfeindlichsten) Auslegung könnte der Mieter bei entsprechendem abgewohntem Zustand der Mieträume sogar bereits unmittelbar nach Mietbeginn zur Renovierung verpflichtet sein, obwohl die Abnutzung der Wohnung nicht durch ihn erfolgte. Führe der Mieter in diesen Fällen eine Anfangsrenovierung durch, müsste er trotzdem spätestens bei Vertragsende gleichwohl renovieren, obwohl sich die Wohnung in keinem schlechteren Zustand befindet als sie ihm bei Nutzungsbeginn überlassen worden war.
Die formularvertragliche Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung kann deshalb nur dann wirksam vereinbart werden, sofern der Vermieter dem Mieter für die Beseitigung vorvertraglicher Abnutzungsspuren einen angemessenen Ausgleich gewährt. So kann der Mieter eine Zeit lang mietfrei in der Wohnung wohnen oder der Vermieter zahlt dem Mieter einen Renovierungszuschuss. Den Vermieter trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Gewährung einer angemessenen Ausgleichsleistung.
In der Praxis wird in Zukunft wahrscheinlich der Streit sich über die Frage entzünden, ob die Wohnung renovierungsbedürftig war und zwar zum Zeitpunkt der Übergabe. Dieser Streit betrifft eine juristische und eine tatsächliche Frage. Bei der Tatsachenfeststellung geht es um die Ermittlung des tatsächlichen Zustands bei Übergabe. Der Termin kann u.U. sehr lange in der Vergangenheit liegen. Die Beweislast für den Zustand der Wohnung trägt der Mieter, da ein unrenovierter Zustand der Wohnung die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hat.
Wenn der Zustand der Wohnung feststeht, ist eine juristische Bewertung erforderlich, nämlich ob dieser Zustand als unrenoviert oder renovierungsbedürftig zu gelten hat. Das ist nicht erst dann der Fall, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder gar völlig abgewohnt ist. Maßgeblich ist, ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist. Um vorvertragliche Abnutzungs- und Gebrauchsspuren zu beseitigen und damit eine "renovierte" Wohnung zu übergeben, muss der Vermieter die Mieträume bei Vertragsbeginn nicht stets komplett frisch renovieren. Im Einzelfall kann die Vornahme geringer Auffrischungsarbeiten genügen. Abnutzungs- und Gebrauchsspuren bleiben dann außer Acht, wenn sie so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Es kommt letztlich darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln.
Praxishinweise:
- Zukünftig sollte bei Übergabe einer Wohnung der Zustand so genau wir möglich dokumentiert werden. Aussagekräftige Fotos, die den Zustand aber auch das Datum der Aufnahme wiedergeben sind hier ein probates Mittel.
- Für die Kautelarpraxis stellt sich die Frage, ob Vermieter zumindest reine Freizeichnungsklause...