Mit seinen Entscheidungen vom 3.4.2014 hat das Bundessozialgericht (BSG) grundsätzliche Rechtsfragen zur Rentenversicherungspflicht von Syndikusanwälten aufgeworfen, die zunächst den Gesetzgeber und nun auch das BVerfG beschäftigt haben. Nachdem die Rechtsmaterie durch das "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte" (BGBl I 2015, S. 2517; s. dazu auch ausführlich Huff ZAP F. 23, S. 1045 ff.) neu geregelt worden ist, hatte sich jetzt das BVerfG mit einem Fall zu befassen, in dem es um die rückwirkende Befreiung eines Syndikusanwalts von der gesetzlichen Rentenversicherung für einen Zeitraum vor dem vom Gesetzgeber bestimmten Stichtag 1.4.2014 ging. Zwar sieht die Neuregelung auch eine Befreiung für Zeiten vor diesem Stichtag vor, jedoch nur unter engeren Voraussetzungen. So müssen gem. § 231 Abs. 4b SGB VI "einkommensbezogene Pflichtbeiträge" an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt worden sein und es darf zudem kein bestandskräftiger Ablehnungsbescheid entgegenstehen, der vor dem 4.4.2014 ergangen ist.
Genau darum stritten die Beteiligten: Die Ablehnung des Befreiungsantrags des Verfassungsbeschwerdeführers war mit dem o.g. Urteil des BSG bestandskräftig geworden, also exakt einen Tag vor dem vorgenannten Stichtag. Er ging also davon aus, dass er diese bestandskräftige Ablehnung "kippen" müsste, um doch noch eine Befreiung für Zeiten vor dem 1.4.2014 erreichen zu können. Der angerufene Karlsruher Senat hat es allerdings abgelehnt, eine Entscheidung zu treffen, weil er wegen der Neuregelung der Materie keine grundsätzliche Bedeutung mehr erkennen konnte und den Beschwerdeführer außerdem unter dem Aspekt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auf den fachgerichtlichen Rechtsweg verweisen wollte. Dennoch hat er in den Entscheidungsgründen interessante Ausführungen gemacht, die für Betroffene, die ebenfalls eine rückwirkende Befreiung für Zeiten vor der BSG-Entscheidung anstreben, Hoffnung wecken können.
So hat er etwa festgestellt, dass es einem Befreiungsantrag auch für Zeiträume vor dem 1.4.2014 nicht entgegensteht, wenn der Syndikus lediglich den nach der Satzung des für ihn zuständigen Versorgungswerks geltenden Mindestbeitrag gezahlt haben sollte. Denn auch hierbei, so der Senat, handele es sich um einkommensbezogene Pflichtbeiträge i.S.d. § 231 Abs. 4b SGB VI. In der vorangegangenen rechtspolitischen Diskussion war dies mit Blick auf § 172a SGB VI teilweise noch anders gesehen worden. In seinen Ausführungen zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde "ermuntert" der Senat den Beschwerdeführer zudem geradezu, den sozialgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten, weil er "keine Bedenken" sieht, dass dieser dort geltend machen könne, nicht unter den Ausschlusstatbestand der Norm zu fallen.
Dass der Senat – trotz der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde – Sympathien für das Anliegen des Beschwerdeführers erkennen ließ, wird auch aus weiteren Umständen deutlich: So erkennt er die grundsätzliche Bedeutung des Falls "nicht mehr" an, d.h. vor dem aktuellen Tätigwerden des Gesetzgebers hat sie seiner Auffassung nach durchaus bestanden. Zudem hat er die gesamten Kosten des Verfahrens der Gegenseite (dem Land Baden-Württemberg) auferlegt, was darauf hindeutet, dass er, wäre in der Sache entschieden worden, der Beschwerde wohl stattgegeben hätte.
Für die künftig zu erwartenden Fachgerichtsentscheidungen bedeutet dies, dass betroffene Syndizi, die bisher schon Mindest- bzw. Pflichtbeiträge in ihre Versorgungswerke eingezahlt haben, gute Chancen haben, im Fall ihrer bestandskräftigen Zulassung als Syndikusanwalt alle ihre Zahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung in ihr Versorgungswerk zu überführen. Zudem besteht die Aussicht, dass in laufenden Sozialrechtsverfahren die Verfahrenskosten nach dem Vorbild der aktuellen BVerfG-Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung auferlegt werden.
[Quelle: BVerfG]