1. Allgemeines
Für die Feststellung, ob der erforderliche Sicherheitsabstand eingehalten worden ist, stehen in der Praxis verschiedene Messverfahren zur Verfügung. Die in der Praxis häufigsten Messverfahren sind die (stationären) Brücken-/Videoabstandsmessverfahren – wie VAMA (s.u. III. 3.), das fortentwickelt worden ist zum sog. VKS 3.01 (vgl. dazu u.a. OLG Dresden VRS 109, 196 = DAR 2005, 637 = VRR 2005, 315) –, die Messung mit dem (mobilen) Police-Pilot-System (s.u. III. 4.; vgl. zur Geschwindigkeitsüberschreitung Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 1171 ff.) und schließlich die Messung durch Polizeibeamte ohne technische Geräte (s.u. III. 5.).
Literaturhinweise:
Eingehend zu den verschiedenen Messverfahren: Burhoff/H.P. Grün/Böttger, OWi, Rn 93 ff.; Rebler VD 2013, 76 ff.; Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 353 ff.; zu Neuerungen Schmedding DAR 2010, 426; Löhle DAR 2016, 161; zum Beweisantrag bei Abstandsverstößen Meyer DAR 2011, 744.
In der Hauptverhandlung wird die von einem Messvorgang vorliegende Videoaufnahme im Wege des Augenscheins eingeführt (OLG Zweibrücken VRS 102, 102).
Auch bei der Abstandsmessung muss der Verteidiger die der Feststellung eines bußgeldbewehrten Verstoßes gegen § 4 StVO zugrunde liegende Messung überprüfen können. Dazu gehört auch der Zugriff auf die sog. Roh(mess)daten.
Hinweis:
Die Ausführungen zur Akteneinsicht u.a. gelten daher auch hier (vgl. dazu Burhoff ZAP F. 9, 877, 882; s. insb. dazu auch OLG Celle, Beschl. v. 16.6.2016 – 1 Ss OWi 96/16; OLG Düsseldorf NZV 2016, 140 = VRR 10/2015, 15 = StRR 2015, 396 = VA 2015, 194; OLG Jena NJW 2016, 1457 m. zust. Anm. Leitmeier = VA 2016, 88 = NStZ-RR 2016, 186 = DAR 2016, 399; OLG Saarbrücken VRR 4/2016, 18 = StRR 4/2016, 22 = VA 2016, 103; AG Mannheim DAR 2016, 95 [Freispruch, weil ausschließlich die Herstellerfirma Zugriff auf die Rohdaten hatte]; restriktiver OLG Bamberg DAR 2016, 337 = VA 2016, 104 m.w.N.; OLG Celle DAR 2012, 216 = VRR 2010, 151; OLG Frankfurt NStZ-RR 2013, 223 = StRR 2013, 230 = VRR 2013, 231; OLG Hamm VRR 2013, 194 m. abl. Anm. Burhoff = NStZ-RR 2013, 213 [Ls.]; OLG Oldenburg VRR 6/2016, 16; OLG Zweibrücken zfs 2012, 51 = DAR 2013, 38 = VRR 2013, 36 = VA 2013, 10 = StRR 2013, 37; Beschl. v. 15.4.2013 – 1 SsBs 14/12; vgl. auch König DAR 2016, 362, 371).
2. Zulässigkeit von Videomessungen
Das BVerfG hat mit Beschluss vom 11.8.2009 zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Videomessungen im Straßenverkehr Stellung genommen (vgl. BVerfG NJW 2009, 3293 = VA 2009, 172 = VRR 2009, 355 = StRR 2009, 356 = zfs 2009, 589) und verdachtsunabhängige Videomessungen im Straßenverkehr als unzulässig angesehen.
Hinweis:
Die auf der Grundlage dieser Entscheidung im Wesentlichen zur Geschwindigkeitsmessung in der Rechtsprechung geführte Diskussion (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff/Grün u.a., § 3 Rn 5; Burhoff/Gieg, OWi, Rn 707 ff. und Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 721 ff.) gilt auch für Abstandsmessungen. Die Ausführungen bei Burhoff (ZAP F. 9, S. 878) gelten im Übrigen entsprechend.
3. Brücken-/Videoabstandsmessverfahren
a) Allgemeines
Bei diesen Messverfahren wird das Abstandsverhalten des zu überwachenden Fahrzeugs anhand durch Markierungen auf der Fahrbahn eingerichteter Messstrecken und anschließender Zeitmessungen zur Bestimmung von Geschwindigkeit und Abstand durchgeführt (zu Einzelheiten s. Burhoff/Grün u.a. § 1 Rn 353 ff.; Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 103 ff.). Die Brückenabstandsmessverfahren werden von der h.M. in der Rechtsprechung als ausreichend zuverlässig angesehen (vgl. OLG Düsseldorf DAR 1985, 87; Hentschel/König/Dauer/König, StVR, § 4 StVO Rn 15 m.w.N.). Das gilt auch für die Modifikation "VKS" (vgl. dazu Burhoff/Grün u.a, a.a.O.; Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 130 ff.).
b) Standardisierte Messverfahren
Bei den (einfachen) Brücken-/Videoabstandsmessverfahren wird ein Abstandsverstoß lediglich anhand einer Videoaufzeichnung dokumentiert und nicht mit einer mittels geeichten Charaktergenerators generierten Zeitenmessung synchronisiert. Dieses Messverfahren ist – im Gegensatz zum VAMA- oder ViBrAM-Brückenabstandsmessverfahren (s.u.) – kein standardisiertes Messverfahren im Sinne der BGH-Rechtsprechung.
Bei diesen (Brückenabstandsmess-)Verfahren ist auf folgende mögliche Fehlerquelle zu achten (vgl. dazu auch Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 380 ff.): Von Bedeutung ist, dass sich eventuelle Abstandsveränderungen bei den beobachteten Fahrzeugen wohl nicht immer zweifelsfrei wahrnehmen lassen. Es ist also ohne Weiteres möglich, dass der Abstand des gemessenen Fahrzeugs während der entscheidenden Strecke von 250–300 m (vgl. dazu u.a. OLG Düsseldorf DAR 2003, 464) durch Gaswegnehmen den Abstand vergrößert hat. Wegen der Fehlerquellen muss ein Sicherheitsabschlag gemacht werden. Die Rechtsprechung verlangt grundsätzlich einen 15 %igen Abzug von dem in 0,8 sec. zurückgelegten Fahrweg der Kfz (BayObLG VRS 59, 264; OLG Düsseldorf VRS 64, 376; s. aber OLG Celle VRS 58, 264 [unterliegt der freien Beweiswürdigung]).
Hinweis:
Der BGH hat über die Zuverlässigkeit dieses Abstandsmessverfahrens (noch) nicht entschieden. Nach seiner Auffassung muss diese Fr...