1. Streitwert und Beschwer
Die Beschwer für Klagen auf Mieterhöhung bemisst sich nach ganz herrschender Auffassung gem. § 9 ZPO im auf unbestimmte Zeit geschlossenen Wohnraummietverhältnis nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Mieterhöhungsbetrags (BGH WuM 2016, 510 = MietPrax-AK § 9 ZPO Nr. 11 m. Anm. Börstinghaus).
Sind die Parteien auch aus unterschiedlichen Gründen über den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses einig, so ist bei der Berechnung der Beschwer, dieser Zeitpunkt beachtlich (BGH MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 22 m. Anm. Börstinghaus).
Entscheidend für die Bewertung der Beschwer einer Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, und zwar nach Maßgabe der dem Parteivorbringen zu diesem Zeitpunkt zugrunde liegenden Tatsachen (BGH MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 23 m. Anm. Börstinghaus).
Für die Wertbemessung kommt es, wie auch der Wortlaut des § 8 ZPO zeigt, auf das für die Gebrauchsüberlassung zu zahlende Entgelt an. Dazu zählen vereinbarte Vorauszahlungen auf Nebenkosten nicht (BGH WuM 2016, 376 = GE 2016, 650 = MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 24 m. Anm. Börstinghaus). Das gilt auch dann, wenn die Parteien eine Betriebskostenpauschale vereinbart haben (BGH WuM 2016, 509 = MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 25 m. Anm. Börstinghaus).
Bei einer Klage des Mieters auf Feststellung einer Mietminderung ist der Streitwert nicht gem. § 41 Abs. 5 S. 1 GKG analog mit dem einfachen Jahresbetrag, sondern gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der geltend gemachten Mietminderung zu bemessen (BGH WuM 2016, 514 = MietPrax-AK § 48 GKG Nr. 1 m. Anm. Börstinghaus).
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Wegen der Unterschiede zwischen Gebührenstreitwert, Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer ist es gerade im Mietrecht nicht immer ganz einfach den richtigen Wert und damit auch das richtige Rechtsmittel zu ermitteln. So beträgt der Gebührenstreitwert einer Räumungsklage das Zwölffache und die Beschwer das 42-Fache der Monatsmiete. Da eine Nichtzulassungsbeschwerde zzt. noch gem. § 26 Nr. 8 EGZPO erst ab einer Beschwer von 20.000 EUR zulässig ist, kann es hier zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen. Es gehört deshalb nicht zu den auf sein Büropersonal übertragbaren Aufgaben eines Rechtsanwalts, Art und Umfang des gegen eine gerichtliche Entscheidung einzulegenden Rechtsmittels zu bestimmen. Zugleich ist es seine ebenfalls nicht auf sein Büropersonal abwälzbare Aufgabe, alle gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit des danach bestimmten Rechtsmittels in eigener Verantwortung zu prüfen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Rechtsmittel innerhalb der jeweils gegebenen Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH ZAP EN-Nr. 565/2016 = MDR 2016, 842 = MietPrax-AK § 233 ZPO Nr. 15 m. Anm. Börstinghaus).
3. Zurückweisung verspäteten Vorbringens
Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens ist im Interesse der Parteien für die Gerichte nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Mit einem besonders strengen Landgericht hatte es der BGH zu tun. Das Landgericht hatte mit Beschluss vom 16.1.2015 einen Auslagenvorschuss für ein Gutachten von 1.500 EUR angefordert und hierfür eine Frist von nur 14 Tagen gesetzt. Am 16.2. terminierte der Vorsitzende auf den 16.3. und am 18.2. ging der Vorschuss bei der Gerichtskasse ein. Im Termin hat das Gericht den Beweisantritt auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gem. § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Das hatte vor dem BGH (MietPrax-AK § 296 ZPO Nr. 1 m. Anm. Börstinghaus) keinen Bestand. Bereits die Fristsetzung von 14 Tagen für den "nicht unbedeutenden Vorschuss" von 1.500 EUR war nach Ansicht des Senats zu kurz. Aber selbst wenn die Partei den Vorschuss bis Ende Januar eingezahlt hätte, hätte das Verfahren nicht bis zum 16.3.2015 abgeschlossen werden können. Ein Gutachten hätte nicht binnen sechs Wochen eingeholt werden können, zumal den Parteien noch hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, dazu Stellung zu nehmen.
4. Einstellung der Zwangsvollstreckung
Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt nicht in Betracht, wenn das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat. Das ist auch dann der Fall, wenn die erforderliche Beschwer von 20.000 EUR für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht erreicht wird. Ist im Mietvertrag eine Einmalzahlung für einen bestimmten Zeitraum vereinbart, so errechnet sich die Beschwer aus der Division der Einmalzahlung durch die Anzahl der Monate für die sie vereinbart wurde, multipliziert mit 42 (BGH WuM 2016, 305 = MietPrax-AK § 719 ZPO Nr. 29 m. Anm. Börstinghaus).
Autor: RiAG Prof. Dr. Ulf Börstinghaus, Gelsenkirchen
ZAP F. 4 R, S. 957–970