Der Entwurf der Bundesregierung zum Bauvertragsrecht vom 18.5.2016 (BT-Drucks 18/8486) befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren. Nach erster Lesung im Bundestag am 10.6.2016 und einer Stellungnahme des Bundesrats wurden am 22.6.2016 Sachverständige im Rechtsausschuss angehört. Mit Inkrafttreten des Gesetzes rechnet man im Jahr 2017. Heftig umstritten ist dabei insbesondere ein gesetzlich vorgesehenes Anordnungsrecht des Bauherren nach § 650b BGB-E. Eine solche Anordnung kann sich auf Änderungen des Werkerfolgs oder auch auf notwendige Änderungen zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs beziehen. Ulrich Battis, emeritierter Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin für öffentliches Recht, jetzt of-counsel-Anwalt der Kanzlei Gleiss Lutz in Berlin, vertritt in einem Gutachten vom 17.5.2016, erstellt im Auftrag des Bauindustrieverbands, die Auffassung, der Regierungsentwurf zum Bauvertragsrecht sei wegen des vorgesehenen Anordnungsrechts verfassungswidrig.
Er hatte bereits am 22.9.2009 im Auftrag der Bauindustrie zur Neufassung des BauFordSiG in einem früheren Gutachten („Praxistauglichkeit und Rechtmäßigkeit des BauFordSiG aus wirtschafts-, insolvenz- und verfassungsrechtlicher Sicht“, www.bauindustrie.de, November 2009) seine Meinung verkündet, die Neuregelung des BauFordSiG verstoße nicht nur gegen geltendes Insolvenzrecht, sondern auch gegen Verfassungsgrundsätze: die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG), den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und weitere Vorschriften. Diese Auffassung wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht geteilt. Es hat im Gegenteil die novellierte Fassung des BauFordSiG vom 23.10.2008 als verfassungskonform bestätigt (BVerfG, Beschl. v. 27.1.2011 – 1 BvR 3222/09). Die entsprechende Verfassungsbeschwerde wurde zur Entscheidung nicht angenommen. Grundrechtverletzungen seien nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Nunmehr wiederholt Battis seine These von der Verfassungswidrigkeit, jetzt zum Regierungsentwurf Bauvertragsrecht. Dieser sei wegen der vorgesehenen einseitigen Anordnung des Bauherren (§ 650b BGB-E) verfassungsrechtlich nicht haltbar. Auf Seite 10 des Gutachtens heißt es dazu:
„Zwar hat der Bauvertragsunternehmer im Falle einer solchen Anordnung gem. § 650c Abs. 1 BGB-E auch Anspruch auf entsprechend angepasste Vergütung. Das ändert jedoch nichts daran, dass insoweit seine eigenverantwortliche Vertragsabschlussfreiheit (was den Abschluss des Änderungsvertrags angeht) und seine Vertragsgestaltungsfreiheit (was die Ausgestaltung des Änderungsvertrags angeht) eingeschränkt wird. Schon dies führt zur Bejahung eines Eingriffs in die hier von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit.“
Die im Entwurf erstmals vorgesehene gesetzliche Möglichkeit des Bauherren, verbindliche Anordnungen zur Änderung der Leistungen im Bauvertrag zu erteilen, verstoße demnach gegen das Prinzip der Vertragsfreiheit und den Grundsatz „pacta sunt servanda“. Das Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650b BGB-E stelle wegen eines zu weiten Anwendungsbereichs und mangels einer umfassenden Ausnahmeregelung bei Unzumutbarkeit der Anordnung für den Bauunternehmer eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit der betroffenen Bauunternehmer dar und sei deshalb verfassungswidrig.
Diese Auffassung überrascht. Seit Jahrzehnten ist ein einseitiges, inhaltliches Anordnungsrecht des Bauherren in Baupraxis und Baurecht anerkannt. Allerdings beruht es nach Maßgabe der VOB/B letztlich auf einer vertraglichen Vereinbarung, nicht einer gesetzlichen Regelung. Denn die VOB/B muss ja, um zwischen den Parteien Gültigkeit zu erlangen, vereinbart werden. Bei der in der Praxis verbreiteten Vereinbarung der VOB ist ein solches Anordnungsrecht aber seit eh und je selbstverständlich. Inhaltlich strittig blieb bis heute allerdings noch, ob ein solches Anordnungsrecht auch auf zeitliche Dispositionen erstreckt werden soll. Die Anordnung im Rahmen abgeschlossener Verträge durch den Bauherren ist jedoch ständige, seit Jahrzehnten geübte Baurechtspraxis.
Der etablierte Begriff „Anordnung“ könnte zu dem Missverständnis führen, der Bauunternehmer sei dem Willen des Auftraggebers schutzlos ausgeliefert. Vor Willkür wird der Unternehmer aber schon dadurch geschützt, dass der Auftraggeber angeordnete Zusatzleistungen bezahlen muss (in der vorgesehenen Neuregelung gem. § 650c BGB-E).
Zwar gibt es für ein Anordnungsrecht bislang keine entsprechende Regelung im BGB. In § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B ist jedoch ein solches Anordnungsrecht schon verankert. Es kommt seit vielen Jahren bei den allermeisten Bauvorhaben, regelmäßig bei Vereinbarung der VOB/B, zur Anwendung. Jeder, jedenfalls jeder nicht ganz einfache Bau käme zum Erliegen, wenn es ein solches Anordnungsrecht nicht gäbe. Die Baupraxis kann ohne ein solches einseitiges, inhaltliches Anordnungsrecht, über dessen Grenzen man sicherlich diskutieren muss, nicht leben. Es überrascht d...