a) Dauerstraftat
Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) ist eine Dauerstraftat. Für die Strafzumessung ist bei einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ggf. von Bedeutung, ob eine oder mehrere Taten vorliegen. Eine in der Praxis häufigere Konstellation dieser Problematik behandelt das AG Dortmund in seinem Urteil vom 26.5.2017 (729 Ds-266 Js 32/17-121/17; vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 12.8.2015 – 4 StR 14/15, VA 2016, 14). Es ging um folgende Frage: Hat das Anhalten des Angeklagten bei einer Fahrt im Rahmen einer Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahme mit Personenkontrolle zur "Unterbrechung" des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit der Folge geführt, dass zwei Taten des § 21 StVG vorgelegen hätten. Im vorliegenden Falle hatte der Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, nach der Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch die Polizei seine Fahrt – wie von Anfang an vorgehabt – fortgeführt, um seinen Sohn zur Arbeit zu bringen. Das AG ist von nur einer Fahrt/Tat ausgegangen. Es vergleicht die Situation mit anderen kurzen Fahrtunterbrechungen, wie dem Anhalten zum Tanken oder dem Anhalten zum Einkauf (weitere Nachweise bei Burhoff, in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, a.a.O., § 4 Rn 87 ff.). Die Tatsituation ist insoweit auch anders zu werten als bei Dauerstraftaten tatsächlich beendenden polizeilichen Anhaltevorgängen, wie sie etwa im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle stattfinden, in deren Rahmen eine Alkoholisierung oder ein Drogenkonsum des Fahrers festgestellt wird und bei der dem Fahrer eine Weiterfahrt untersagt wird (hierzu OLG Hamm VA 2008, 173). Eine Dauerstraftat wird also nicht durch ein Anhalten durch Polizeibeamte wegen eines einfachen Geschwindigkeitsverstoßes und durch die Personalienfeststellung unterbrochen, wenn die Polizei den Fahrzeugführer danach seine ursprünglich beabsichtigte Fahrstrecke weiterfahren lässt.
Hinweis:
Die vom AG entschiedene Frage ist kein § 21 StVG-spezifisches Problem, sondern eine Frage, die sich bei allen Dauerstraftaten stellt, also z.B. auch bei § 316 StGB. Sie hat ggf. Auswirkungen auf die Höhe des Strafmaßes.
b) Erforderlicher Umfang der tatsächlichen Feststellungen
Die Frage nach dem erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen beim Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) war aufgrund von Vorlagen des OLG Nürnberg (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.10.2016 – 1 OLG 8 Ss 173/16 und Beschl. v. 21.10.2015 – 1 OLG 2 Ss 182/15, VRS 129, 147; dazu auch Burhoff ZAP F. 22 R, S. 979) schon länger beim BGH anhängig (zu der Problematik auch KG VA 2015, 155; s. auch OLG Koblenz NZV 2013, 411; strenger OLG Bamberg DAR 2013, 585; OLG München DAR 2008, 533; StraFo 2008, 210). Dabei ging es um die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung bei nur knappen Feststellungen des AG (§ 318 StPO). Der BGH hat die Frage inzwischen dahingehend entschieden, dass im Fall einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht deshalb unwirksam ist, weil sich die Feststellungen in dem angegriffenen Urteil darin erschöpfen, dass der Angeklagte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit auf einer öffentlichen Straße ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug geführt hat, ohne die erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen, und er insoweit wissentlich gehandelt hat (BGH, Beschl. v. 27.4.2017 – 4 StR 547/16, ZAP EN-Nr. 489/2017 = StraFo 2017, 280 = VRR 8/2017, 12; s. auch schon OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.7.2017 – 2 Rv 8 Ss 420/17). Die Antwort führt im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung dazu, dass die AG grundsätzlich bei den knappen Feststellungen, die beim Fahren ohne Fahrerlaubnis üblich sind, bleiben können.
Hinweis:
Entscheidend ist, ob diese Feststellungen zum Schuldspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Rechtsfolgenentscheidung des LG als Berufungsgericht bilden. Das bedeutet, dass die LG – mit Blick auf eine potentielle Revision – prüfen müssen, ob für die nähere Bestimmung des Schuldumfangs und den Rechtsfolgenausspruch ergänzende Feststellungen zu einzelnen Tatumständen erforderlich sind und nachgeholt werden müssen. Dabei müssen sie die Bindungswirkung der bereits getroffenen Feststellungen im Blick haben und bei ergänzenden Erhebungen das Widerspruchsverbot beachten.