1. Bemessung der Tagessatzhöhe (§ 40 StGB)
In seinem Beschluss vom 25.4.2017 (1 StR 147/17, StRR 8/2017, 16) hat der BGH noch einmal zu der für die Praxis wichtigen Frage nach den Anforderungen an die Feststellungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Bemessung der Tagessatzhöhe Stellung genommen. Das LG hatte die Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25 EUR verurteilt. Mit ihrer auf die Höhe der verhängten Tagessätze beschränkten Revision hatte sich die Angeklagte gegen die Festsetzung der Höhe des einzelnen Tagessatzes durch das LG gewandt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Der BGH (a.a.O.) stellt zunächst noch einmal allgemein die/seine Grundsätze zur Bemessung der Höhe eines Tagessatzes zusammen: Die Höhe bestimmt sich unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 40 Abs. 2 S. 1 StGB). Dabei ist grundsätzlich vom Nettoeinkommen auszugehen, das der Täter an einem Tag hat oder haben könnte (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB). Jedoch erschöpft sich die Festlegung der Tagessatzhöhe nicht in einem mechanischen Rechenakt, sondern es handelt sich um einen wertenden Akt richterlicher Strafzumessung, der dem Tatrichter Ermessensspielräume hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Faktoren belässt (MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., § 40 Rn 56; ebenso Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 40 Rn 6a). Zudem ist das Einkommen ein rein strafrechtlicher und kein steuerrechtlicher Begriff, welcher alle Einkünfte aus selbstständiger und nicht selbstständiger Arbeit sowie aus sonstigen Einkunftsarten umfasst (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 7), wobei es auch nicht erforderlich ist, dass es sich um Einnahmen in Form von Geldleistungen handelt (MüKo-StGB/Radtke, a.a.O., § 40 Rn 60); auch Unterhalts- und Sachbezüge oder sonstige Naturalleistungen zählen hierzu. Im Einzelnen gilt:
- Grundsätzlich kann auch das Einkommen des Ehepartners berücksichtigt werden, wenn dem Täter hieraus tatsächlich Vorteile zufließen, wobei aber das Strafgericht den Entschluss eines Ehepartners, nicht berufstätig zu werden, zu respektieren hat (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 9). Im Ergebnis kommt es in solchen Fällen darauf an, inwieweit der nicht berufstätige Ehepartner am Familieneinkommen teilhat, indem ihm tatsächlich Naturalunterhalt, ggf. auch ein Taschengeld, gewährt wird.
- Von den anzurechnenden Einkünften abzuziehen sind damit zusammenhängende Ausgaben, wie beispielsweise Werbungskosten und Betriebsausgaben, auch Sozialversicherungsbeiträge; ebenfalls sind i.d.R. außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, Unterhaltsverpflichtungen des Täters demgegenüber nur in angemessenem Umfang (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 13 ff.; MüKo-StGB/Radtke, a.a.O., § 40 Rn 65 ff.; vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn 121).
- Dem Tatrichter steht gem. § 40 Abs. 3 StGB eine Schätzungsbefugnis zu, sofern entweder der Angeklagte keine oder unrichtige Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht oder deren Ermittlung zu einer unangemessenen Verzögerung des Verfahrens führen würde bzw. der erforderliche Aufwand nicht im Verhältnis zur Höhe der Geldstrafe stehen würde (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.1.1995 – 5 Ss 437/94; MüKo-StGB/Radtke, a.a.O., § 40 Rn 119).
Hinweise:
Der Beschluss stellt noch einmal sehr schön die Anforderungen an die Feststellungen zur Bemessung der Tagessatzhöhe zusammen. Die sollte man als Verteidiger präsent haben, wenn es in der Hauptverhandlung um die Bemessungsfragen geht. Ausführlich zur Bemessung der Tagessatzhöhe bei Geldstrafen vgl. Hillenbrand ZAP F. 22, S. 879.
Im Übrigen: Berufung und Revision können wirksam auf die Bemessung der Tagessatzhöhe beschränkt werden. Darauf weist der BGH unter Bezugnahme auf BGHSt 27, 70, 73 noch einmal hin. Eine Ausnahme gilt, wenn sich die Zumessungsakte zur Anzahl des Tagessatzes und dessen Höhe überschneiden.
2. Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB)
Inzwischen hat der sog. Kölner-Raser-Fall auch den BGH beschäftigt (vgl. Urt. v. 6.7.2017 – 4 StR 415/16, StRR 8/2017, 18). Gegenstand der Entscheidung war ein "Autorennen" in der Kölner Innenstadt, bei dem einer der beiden beteiligten Kraftfahrzeugführer die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und eine auf dem angrenzenden Radweg fahrende 19-jährige Studentin erfasst hat, die später ihren durch die Kollision erlittenen schweren Verletzungen erlag. Das LG Köln hatte u.a. wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. von einem Jahr und neun Monaten, jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung, verurteilt (LG Köln, Urt. v. 14.4.2016 – 117 KLs 19/15). Der BGH (a.a.O.) hat das Urteil hinsichtlich der Bewährungsentscheidung aufgehoben.
Der BGH (a.a.O.) hat zwei Punkte beanstandet: Im Rahmen der Prüfung "besonderer Umstände" nach § 56 Abs. 2 StGB habe das LG keine über die günstige Sozialprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hinausgehenden Umstände berücksichtigt. Und bei der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gebiete (§ 56 Abs. 3 StGB), seien Tat und Täter nicht ausreichen...