Die Bundesregierung hat im August des Jahres ihren ursprünglichen Entwurf zu einem Jahressteuergesetz inhaltlich unverändert, aber unter einer neuen Bezeichnung als "Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (BR-Drucks 372/18). In diesem Entwurf sehen die Insolvenz- und Steuerexperten des Deutschen Anwaltvereins (DAV) jedoch Risiken für eine verlässliche Sanierungsberatung. Um diese Risiken auszuschalten, so der DAV, müsse das Inkrafttreten der Neuregelungen zum Sanierungsgewinn in § 3a EStG und § 7b GewStG eindeutig geregelt werden.
Hintergrund dieser Forderung ist Folgender: Im Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassung vom Juni 2017 wurden die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn neu geregelt. Betroffen sind alle Sanierungsfälle, in denen Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 erlassen wurden. Nach Art. 6 Abs. 2 dieses Gesetzes kann diese Regelung rückwirkend erst dann in Kraft treten, sobald die EU-Kommission durch Beschluss festgestellt hat, dass die Neuregelung keine staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder eine mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe darstellt. Der Tag des Beschlusses der EU-Kommission sowie der Tag des Inkrafttretens sollten danach vom Bundesministerium der Finanzen gesondert im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben werden.
Zwischenzeitlich liegt auch ein Schreiben der EU-Kommission vor, in dem mitgeteilt wird, dass keine EU-rechtlichen Bedenken bestehen. Da es sich aber nicht um einen formellen Beschluss handelt, sind laut DAV die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassung nicht gegeben. Die Neuregelung könne damit noch nicht in Kraft treten. Der DAV sieht daher im Interesse einer verlässlichen Sanierungsberatung die Notwendigkeit zur Klarstellung durch den Gesetzgeber, dass die Neuregelung unabhängig von einem Beschluss der EU-Kommission rückwirkend in Kraft tritt.
In diesem Zusammenhang fordert der DAV darüber hinaus, dass die Neuregelung auch für solche Sanierungsfälle gilt, die vor dem 8.2.2017 vollzogen wurden. Hintergrund ist ein Streit zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem BFH über die Rechtslage vor dem 8.2.2017. Während die Finanzverwaltung der Meinung ist, dass der Sanierungserlass von 27.3.2003 (BStBl I 2003, S. 240) bis dahin anzuwenden ist, lehnt der BFH eine solche Sichtweise ab. Es bestehe, so der DAV, damit keine gesicherte Rechtsgrundlage für Sanierungsfälle, die bis zum 8.2.2017 vollzogen wurden.
Der rein akademische Streit zwischen BMF und BFH müsse, so der DAV, beendet werden. Denn betroffen sei in der Praxis eine Vielzahl von Sanierungsfällen mit zahlreichen Arbeitsplätzen in- und außerhalb von Insolvenzverfahren. Im berechtigten Vertrauen auf den Sanierungserlass seien bereits Sanierungspläne vereinbart und vollzogen worden. Der Gesetzgeber müsse deshalb auch hier Klarheit schaffen.
[Quelle: DAV]