1. Grundsatz
Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Steuerbevollmächtigte und vereidigte Buchprüfer sind aufgrund gesetzlicher Vorschriften (vgl. § 43a Abs. 2 BRAO, § 57 Abs. 1 StBerG, § 43 Abs. 1 WPO, § 18 Abs. 1 BNotO) zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Hinweis:
Berufsgeheimnisträger dürfen gem. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO über das, was ihnen in ihrer jeweiligen Eigenschaft anvertraut wurde oder bekannt geworden ist, die Auskunft auch gegenüber den Finanzbehörden verweigern.
Kein Auskunftsverweigerungsrecht haben jedoch Rechtsbeistände, Prozessagenten, Syndizi, Berufskammern und sonstige Juristen, die nicht als Rechtsanwalt zugelassen sind (Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 102 Rn 12; BFH, Urt. v. 19.12.2006 – VII R 46/05, NJW 2007, 1305 – zu Berufskammern).
Im Rahmen von Außenprüfungen der Finanzverwaltung, denen auch Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und andere Berufsgeheimnisträger i.S.v. § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO unterliegen, stellt sich daher regelmäßig die Frage, welche Auskünfte der zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsgeheimnisträger erteilen darf und welche Unterlagen er dem Prüfer vorlegen muss.
2. Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 102 AO
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 AO gilt für eigene und fremde Steuersachen des Berufsgeheimnisträgers (BFH, Beschl. v. 11.12.1957 – II 100/53 U, NJW 1958, 646; Urt. v. 28.10.2009 – VIII R 78/05, BRAK-Mitt. 2010, 86). Es umfasst sowohl die Identität des Mandanten als auch die Tatsache seiner Beratung (vgl. BFH, Urt. v. 14.5.2002 – IX R 31/00, NJW 2002, 2903; v. 8.4.2008 – VIII R 61/06, NJW 2008, 2366; Beschl. v. 24.8.2006 – I S 4/06, BFH/NV 2006, 2034).
Soweit ein Berufsgeheimnisträger jedoch von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden wurde, darf er gem. § 102 Abs. 3 AO die Auskunft gegenüber den Finanzbehörden nicht verweigern (BFH, Beschl. v. 24.8.2006 – I S 4/06, a.a.O.; Urt. v. 8.4.2008 – VIII R 61/06, a.a.O.; v. 28.10.2009 – VIII R 78/05, a.a.O.). Dies gilt auch für etwaige Hilfspersonen des Berufsgeheimnisträgers, also z.B. Rechtsanwaltsfachangestellte oder juristische Mitarbeiter.
Daher darf ein Rechtsanwalt, der Beratungsleistungen an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer erbracht hat und die ihm ihre USt-Identifikationsnummer mitgeteilt haben, die in diesen Fällen vorgeschriebene Abgabe einer zusammenfassenden Meldung (§ 18a UStG) mit den darin geforderten Angaben (§ 18a Abs. 7 UStG) nicht unter Berufung auf seine Schweigepflicht verweigern (BFH, Urt. v. 27.9.2017 – XI R 15/15, ZAP EN-Nr. 17/2018 = BRAK-Mitt. 2018, 34).
Hinweis:
Tatsachen, die ein Berufsgeheimnisträger bei Gelegenheit seiner Berufsausübung beobachtet hat, die aber keinen inhaltlichen Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit haben, unterliegen keinem Auskunftsverweigerungsrecht (BFH, Urt. v. 14.12.1988 – X R 34/82, BFH/NV 1989, 541).
3. Verweigerung der Vorlage von Urkunden gem. § 104 AO
Nach § 104 Abs. 1 S. 1 AO dürfen diejenigen Personen, die die Auskunft verweigern dürfen, auch die Vorlage von Urkunden verweigern. Dabei besteht allerdings kein umfassendes Verweigerungsrecht, sondern – nach Auffassung der Finanzverwaltung – nur ein jeweils auf die einzelne Unterlage bezogenes Verweigerungsrecht (LfSt Bayern, Vfg. v. 28.3.2012 – S 0251.1.1-2/1 St 42, DStR 2012, 1610).
Das Vorlageverweigerungsrecht eines Rechtsanwalts bezieht sich auch auf seine Handakten (Klein/Rätke, a.a.O., § 104 Rn 4 m. Hinw. auf das RFH-Gutachten in RFHE 44, 77 u. BFH/NV 95, 954) sowie das Postausgangsbuch, sofern sich aus diesem Namen von Mandanten ergeben (BFH, Urt. v. 14.5.2002 – IX R 31/00, NJW 2002, 2903).
Nach § 104 Abs. 2 AO darf die Vorlage von Urkunden und Wertsachen, die für einen Beteiligten aufbewahrt werden, jedoch nicht verweigert werden, soweit dieser Beteiligte bei eigenem Gewahrsam zur Vorlage verpflichtet wäre. Zweck dieser Bestimmung ist es, zu verhindern, dass ein Beteiligter an sich vorlagepflichtige Unterlagen dem Zugriff des Finanzamts dadurch entziehen kann, indem er sie in die Obhut eines auskunftsverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgers i.S.v. § 102 AO gibt (Schleswig-Holsteinisches FG, Beschl. v. 12.10.2015 – 2 V 95/15, EFG 2016 S. 1 m. Hinw. auf Schuster, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO – Stand: 6/2018, § 104 AO Rn 16; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 104 AO Rn 3 m.w.N.). Für Unterlagen
- über die eigenen Einkünfte aus Kapitalvermögen oder
- aus Vermietung und Verpachtung sowie
- Kontoauszüge, die keine betrieblichen Vorgänge enthalten,
kommt das Vorlageverweigerungsrecht nach § 104 AO nicht in Betracht, da diese Unterlagen i.d.R. keine Informationen über das enthalten, was dem Berufsgeheimnisträger als Rechtsanwalt, Notar oder Steuerberater anvertraut wurde oder bekannt geworden ist (BFH, Urt. v. 28.10.2009 – VIII R 78/05, BRAK...