1. Mehrwertvergleich ohne Kostenregelung
Sofern die Kostenentscheidung nach einem Mehrwertvergleich dem Gericht überlassen wird, etwa nach § 91a ZPO oder nach § 98 ZPO, entscheidet das Gericht über die gesamten Kosten einschließlich der Kosten des Mehrwertvergleichs. Diese zählen dann zu den Kosten des Rechtsstreits und sind entsprechend der Kostenentscheidung zu erstatten und festzusetzen.
2. Mehrwertvergleich mit Kostenregelung
Schließen die Parteien einen Vergleich auch über die Kosten, dann sind die Kosten des Mehrwertvergleichs entsprechend dieser Regelung ebenfalls erstattungsfähig und festzusetzen.
Probleme bereitete der Rechtsprechung lange Zeit der Fall, dass die Parteien eine differenzierte Kostenregelung vereinbart hatten, nämlich dass die Kosten des Rechtsstreits nach einer anderen Quote zu berechnen waren als die Kosten des Vergleichs. Hier war umstritten, ob die Verfahrensdifferenzgebühr und die höhere Terminsgebühr den Kosten des Rechtsstreits oder den Kosten des Vergleichs zuzuordnen seien. So wurde argumentiert, dass die Verfahrensdifferenzgebühr sowie die höhere Terminsgebühr vom Bestand des Vergleichs unabhängig seien und auch bei einem Widerruf nicht mehr entfalle (s. oben I. 5.). Der BGH hat jedoch klargestellt, dass eine Kostenregelung, die für die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten des Vergleichs unterschiedliche Quoten vorsehe, dahin zu verstehen sei, dass sämtliche durch den Vergleich und seinen Mehrwert ausgelöste Gebühren den Kosten des Vergleichs zuzuordnen seien, also auch die Verfahrensdifferenzgebühr und die höhere Terminsgebühr.
Beispiel 12 – Differenzierender Kostenvergleich:
Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung einen Vergleich über die Klageforderung von 5.000,00 EUR geschlossen, in den sie weitere nicht anhängige 2.000,00 EUR einbezogen haben. Hinsichtlich der Kosten vereinbaren sie, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trage und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Das Gericht setzt den Wert des Verfahrens auf 5.000,00 EUR fest und den Mehrwert des Vergleichs auf 2.000,00 EUR.
Zur Abrechnung s. Beispiel 1. Erstattungs- und festsetzungsfähig sind jetzt nur:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5.000,00 EUR) |
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393,90 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 5.000,00 EUR) |
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363,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
777,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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147,73 EUR |
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Gesamt |
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925,23 EUR |
5. |
1,0-Gerichtsgebühr Nr. 1120, 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. (Wert: 5.000,00 EUR) |
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146,00 EUR |
6. |
0,25-Gerichtsgebühr Nr. 1900 GKG-KostVerz. (Wert: 2.000,00 EUR) |
22,25 EUR |
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hiervon 50 % |
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11,13 EUR |
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Summe |
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1.082,35 EUR |
Die übrige anwaltliche Vergütung seines Anwalts und die weitere Hälfte der Gerichtsgebühr nach Nr. 1900 GKG-KostVerz. muss der Kläger selbst tragen.
Praxishinweis:
Wollen die Parteien, dass nur die Einigungsgebühr einer anderen Kostenregelung folgt, dann dürfen sie nicht „die Kosten des Vergleichs“ anderweitig regeln, sondern die „Einigungsgebühren“. Dann gehen nur die anwaltlichen Einigungsgebühren und die gerichtliche Vergleichsgebühr nach dieser abweichenden Quote.
3. Widerruf des Mehrwertvergleichs
Werden Mehrwertvergleiche geschlossen und anschließend widerrufen, so entsteht für die Anwälte keine Einigungsgebühr (Anm. Abs. 3 zu Nr. 1000 VV RVG). Die Verfahrensdifferenzgebühr und die Terminsgebühr bleiben allerdings bestehen (s. oben I. 5.). Sie zählen in diesem Fall aber nicht zu den Kosten des Rechtsstreits (BGH AGS 2008, 582 = FamRZ 2008, 2276 = MDR 2009, 53 = NJW 2009, 233 = Rpfleger 2009, 116 = JurBüro 2009, 34 = AnwBl 2009, 73 = NJW-Spezial 2009, 28 = RVGreport 2008, 466; LG Bonn AGS 2009, 195) und sind nicht erstattungs- und festsetzungsfähig.
Beispiel 13 – Widerrufener Mehrwertvergleich:
In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR schließen die Parteien einen Widerrufsvergleich über die 10.000,00 EUR und weitere nicht anhängige 8.000,00 EUR. Der Vergleich wird später widerrufen. Das Gericht weist die Klage ab und legt dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf.
Zur Abrechnung s. Beispiel 8. Erstattungs- und festsetzungsfähig sind nur:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR) |
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725,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR) |
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669,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.415,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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268,85 EUR |
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Gesamt |
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1.683,85 EUR |
4. Besonderheit in arbeitsgerichtlichen Verfahren
Eine Besonderheit ist in arbeitsgerichtlichen Verfahren zu beachten. Hier ist nach § 12a ArbGG in den erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren eine Erstattung der Anwaltskosten ausgeschlossen. Das gilt auch im Falle eines Vergleichs, selbst wenn die Parteien in dem Vergleich eine Kostenerstattungsvereinbarung treffen, weil damit grundsätzlich die Regelung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht abbedungen wird (LAG Nürnberg, JurBüro 1999, 356 u. 366; LAG Rheinland-Pfalz NZA 1992, 141; LAG Düsseldorf LAGE § 12a ArbGG 1979 Nr. 2). Strittig ist, ob und unter welchen Voraussetzungen in einem Vergleich eine für das Kostenfestsetzungsverfahren bindende Verei...