§ 167 SGB IX enthält in Abs. 1 eine Vorschrift, die der Prävention von Konflikten und Folgeproblemen dient. Absatz 2 der Norm enthält Rechtsgrundlagen für das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM). Absatz 3 sieht für den Arbeitgeber Anreize in Form einer Prämie oder eines Bonus vor.
a) Präventionspflichten des Arbeitgebers
§ 167 Abs. 1 SGB IX verpflichtet die Arbeitgeber, bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Beschäftigungsverhältnis, die zu seiner Gefährdung führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung (§ 177 f. SGB IX) und die in § 176 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanziellen Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Eine Zustimmung des Beschäftigten ist nicht erforderlich.
Eine Verletzung der Pflichten nach § 167 Abs. 1 SGB IX durch den Arbeitgeber bewirkt eine Verlagerung der Darlegungslast hinsichtlich der Behauptung einer schuldhaften Verletzung des schwerbehindertenrechtlichen Beschäftigungsanspruchs nach § 164 Abs. 4 SGB IX (BAG, Urt. v. 4.10.2005 – 9 AZR 632/04, NJW 2006, 1691).
b) Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Mit Wirkung vom 1. 5. 2004 in das Gesetz eingeführt wurde das in § 167 Abs. 2 SGB IX geregelte sog. betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM):
Nach Satz 1 der Vorschrift hat der Arbeitgeber dann, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung i.S.d. § 176 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Zu den Beschäftigen i.S.d. Abs. 2 S. 1 der Norm gehören nicht nur die schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigen, sondern auch alle übrigen Beschäftigen (BAG v. 12.7.2007 – 2 AZR 716/06). Das BEM dient dem Ziel, krankheitsbedingte Gefährdungen des Arbeitsverhältnisses möglichst frühzeitig entgegenzutreten und im Rahmen eines ergebnisoffenen Suchprozesses Wege zu finden, um erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und damit das Arbeitsverhältnis zu erhalten.
Die Durchführung des BEM ist jedoch keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung weder für eine krankheitsbedingte Kündigung, noch für die Wirksamkeit einer Versetzung oder einer anderen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber. § 167 Abs. 2 SGB IX konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit seiner Hilfe können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einen anderen, ggf. durch Umsetzung frei zu machenden Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden. Das Absehen von der Durchführung des BEM führt regelmäßig zu Nachteilen für den Arbeitgeber bei der Darlegungs-und Beweislast.
Um darzutun, dass die krankheitsbedingte Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt und ihm keine mildere Mittel zur Überwindung der Störung des Arbeitsverhältnisses als die Kündigung offen standen, muss der Arbeitgeber die objektive Nutzlosigkeit des BEM darlegen (s. etwa BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 und LAG Niedersachsen, Urt. v. 13.9.2018 – 6 Sa 180/18, hierzu Kohte, Beitrag B3-2019 unter www.reha-recht.de; 26.6.2019).
Kommt es im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO, § 315 BGB darauf an, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung die Grenzen billigen Ermessens wahrt, trägt der Arbeitgeber das Risiko der Unwirksamkeit seiner Maßnahme, wenn er wesentliche Aspekte unberücksichtigt lässt, die ihm im Rahmen eines an sich gebotenen BEM hätten bekannt werden können (BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 47/14, NZA 2018, 162).
Die Unterlassung des BEM kann sich ebenfalls für den Arbeitgeber wegen einer Erweiterung seiner Darlegungslast negativ auswirken, wenn eine Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern nach § 33 Abs. 3 TVöD trotz Bezugs einer unbefristeten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Betracht kommt, BAG, Urt. v. 30.8.2017 – 7 AZR 204/16.
Zu weiteren Einzelfragen zum BEM s. Geißinger, ZAP F. 17,1313 ff.