1. Zahlungsverzugskündigung
Mit einer schwierigen Rechtskraftfrage musste sich der VIII. Senat beschäftigen. Ein Vermieter hatte wegen eines vermeintlichen Zahlungsrückstands fristlos gekündigt. Der Mieter hatte wegen Mängeln gemindert und vor allem ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt. Der Vermieter erhob Räumungsklage und Zahlungsklage. Das LG verurteilte den Mieter zur Zahlung, weil seines Erachtens das Zurückbehaltungsrecht wegen Zweckverfehlung erloschen sei, da der Vermieter behauptet hatte, den Mangel nach Ausspruch der Kündigung beseitigt zu haben, was das Gericht als weitere Erfüllungsverweigerung wertete. Nach Ansicht des BGH (BGH NJW 2019, 1745 = NZM 2019, 401 = GE 2019, 725 = WuM 2019, 315 = MietPrax-AK § 543 BGB Nr. 44 mit Anm. Eisenschmid; Lehmann-Richter, MietRB 2019, 198) steht aufgrund des rechtskräftigen Zahlungsurteils nicht bindend fest, dass die Voraussetzungen eines Zahlungsverzugs im Zeitpunkt der Kündigung vorlagen.
Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage erhobenen Anspruch entschieden ist. Die Rechtskraft wird hiernach auf den unmittelbaren Streitgegenstand beschränkt. Nicht in Rechtskraft erwächst die Feststellung der der Entscheidung zugrunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnisse oder sonstiger Vorfragen, aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der von der Klagepartei beanspruchten Rechtsfolge zieht. Vorliegend hat das mit dem Zahlungsanspruch befasste Gericht aber nur entschieden, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Zahlungsanspruch besteht. Einen Verzug mit der Mietzahlung zum Kündigungszeitpunkt hat es nicht festgestellt.
Hinweis zum Entfallen des Zurückbehaltungsrechts:
Trägt der Vermieter in einem auf Zahlung rückständiger Miete gerichteten Prozess vor, der vom Mieter angezeigte – zwischen den Parteien streitige – Mangel sei von ihm während des Verfahrens beseitigt worden, ist diese Behauptung jedenfalls für sich genommen nicht geeignet, den Zweck des vom Mieter – hinsichtlich Höhe und Dauer – in angemessener Weise ausgeübten Leistungsverweigerungsrechts als verfehlt anzusehen. Vielmehr ist in einem solchen Fall über die (streitige) Frage eines ungeachtet der ergriffenen Beseitigungsmaßnahmen fortbestehenden Mangels Beweis zu erheben, weil das Zurückbehaltungsrecht mit der Mangelbehebung entfällt und einbehaltene Mieten sofort zur Zahlung fällig sind.
2. Ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs
Der Kündigungstatbestand des Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt nicht voraus, dass aus Sicht des Vermieters eine "objektive Notwendigkeit" zur Nutzung der vermieteten Wohnräume besteht. Das Tatbestandsmerkmal des Benötigens erfordert nach Ansicht des BGH (BGH MDR 2019, 858 = WuM 2019, 385 = MietPrax-AK § 574 BGB Nr. 4 mit Anm. Börstinghaus) nicht, dass der Vermieter oder einer der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Angehörigen auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist. Vielmehr benötigt ein Vermieter eine Mietwohnung bereits dann, wenn sein ernsthafter Wunsch, die Wohnung künftig selbst zu nutzen oder nahen Angehörigen zu Wohnzwecken zur Verfügung zu stellen, auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe gestützt wird.
3. Der Fortsetzungsanspruch des Mieters nach der Sozialklausel
Der Kündigungsschutz des sozialen Wohnraummietrechts ist zweistufig ausgestaltet (ausführlich Sternel NZM 2018, 473). Zunächst benötigt der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Auf dieser Ebene bleiben die Interessen des Mieters unberücksichtigt. Liegt ein zur Kündigung berechtigendes Interesse an einer ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses vor, kann der Mieter sich in einer zweiten Stufe auf persönliche Härtegründe oder fehlenden Ersatzwohnraum berufen. Diese Interessen des Mieters sind dann mit den berechtigten Interessen des Vermieters, die zur Kündigung berechtigten, abzuwägen. Diese zweite Stufe spielte in der Vergangenheit in der Praxis so gut wie keine Rolle. Die meisten Fälle wurden über eine Räumungsfrist gem. § 721 ZPO gelöst. In Folge der zunehmenden Eigenbedarfskündigungen vor allem in angespannten Wohnungsmärkten war es eine Frage der Zeit, wann sich der BGH mit der "Sozialklausel" beschäftigen musste. Das hat der VIII. Senat Ende Mai 2019 in zwei Entscheidungen ausführlich getan, die die ganze Bandbreite der Probleme wiederspiegelten. Einmal ging es um eine Härtefallabwägung zu Lasten eines prekär untergebrachten Vermieters und das andere Mal um eine solche zu Lasten alter kranker Mieter.
Nach § 574 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn dessen Beendigung für ihn, seine Familie oder seine Haushaltsangehörigen eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dabei kommt es nicht auf ein deutliches Überwiegen der Mieterinteressen an, es reicht ein "einfaches" Übergewicht der Belange der Mieterseite. Werden vom Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren vorgetragen, so sind nach An...