§ 475a BGB neu regelt in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/770 über digitale Inhalte durch das "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen" vom 25.6.2021 den Verbrauchsgüterkaufvertrag über digitale Produkte. Entsprechende Verbraucherverträge über digitale Produkte haben – einschließlich des Gewährleistungsrechts – eine umfassende Regelung in den §§ 327 bis 327s BGB neu erfahren. Insoweit "besteht ein Abgrenzungsproblem zum Kaufrecht" (Lorenz NJW 2021, 2065, 2069).
1. Verbrauchsgüterkaufvertrag über digitale Produkte
Auf einen Verbrauchsgüterkaufvertrag, welcher einen körperlichen Datenträger zum Gegenstand hat, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient, sind gem. § 475a Abs. 1 S. 2 BGB die Vorschriften des § 433 Abs. 1 S. 1, die §§ 434 bis 442, 475 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 bis 6, die §§ 475b bis e und die §§ 476 und 477 BGB über die Rechte bei Mängeln nicht anzuwenden. An die Stelle der nicht anzuwendenden Vorschriften treten nach § 475a Abs. 1 S. 2 BGB die Regelungen der §§ 327 bis 327s BGB neu.
Auf einen Verbrauchsgüterkaufvertrag über eine Ware, die in einer Weise digitale Produkte enthält oder mit digitalen Produkten verbunden ist, dass die Ware ihre Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann, sind im Hinblick auf diejenigen Bestandteile des Vertrags, welche die digitalen Produkte betreffen, nach § 475a Abs. 2 S. 1 BGB die folgenden Vorschriften nicht anzuwenden:
An die Stelle der hiernach nicht anzuwendenden Vorschriften treten wiederum die Neuregelungen der §§ 327 bis 327s BGB.
2. Besonderheiten in Bezug auf den Sachmangelbegriff bei Waren mit digitalen Elementen
Die §§ 475b und c BGB normieren Sonderbestimmungen für den Erwerb von Waren mit digitalen Elementen beim Verbrauchsgüterkauf in Ergänzung von § 434 BGB im Hinblick auf einen Sachmangel.
Dabei erfasst § 475b BGB alle Waren mit digitalen Elementen und § 475c BGB solche Waren mit digitalen Elementen, wenn die digitalen Elemente nach der vertraglichen Vereinbarung nicht einmalig (bspw. mit der Lieferung der Ware), sondern dauerhaft über einen Zeitraum bereitgestellt werden. Insoweit sind auf einen Sachmangel bei Waren mit digitalen Elementen – die dauerhaft über einen Zeitraum bereitgestellt werden – sowohl § 434 als auch die §§ 475b und c BGB anwendbar.
a) Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen (§ 475b BGB)
Für den Kauf einer Waremit digitalen Elementen, bei dem sich der Unternehmer verpflichtet, dass er selbst oder ein Dritter die digitalen Elemente bereitstellt, gelten gem. § 475b Abs. 1 S. 1 BGB in Umsetzung von Art. 3 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 5 Buchst. b WKRL ergänzend die Regelungen dieser Vorschrift.
aa) Ware mit digitalen Elementen
Waren mit digitalen Elementen sind nach der Legaldefinition des § 327a Abs. 3 S. 1 BGB neu solche, die digitale Produkte dergestalt enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können.
Digitale Inhalte sind gem. § 327 Abs. 2 S. 1 BGB neu (Art. 2 Nr. 6 WKRL) Daten, die in digitaler Form erstellt oder bereitgestellt werden.
Digitale Dienstleistungen sind nach § 327 Abs. 2 S. 2 BGB neu (Art. 2 Nr. 7 WKRL) Dienstleistungen, die dem Verbraucher
- die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen (Buchstabe a), oder
- die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen (Buchst. b).
Nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eines Verbrauchsgüterkaufs einer Ware mit digitalen Elementen beurteilt sich, ob die Bereitstellung digitaler Elemente vom Unternehmer geschuldet wird – sei es, dass dies im Vertrag ausdrücklich bestimmt ist oder die Auslegung ergibt, dass die Bereitstellung spezifischer digitaler Elemente vom Vertrag mit umfasst ist, "weil diese bei Sachen der gleichen Art üblich sind und der Verbraucher sie erwarten kann" (RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 30). Nach Erwägungsgrund Nr. 15 der WKRL sind zur Bestimmung dieser "Erwartung" die Beschaffenheit der Sachen und öffentliche Erklärungen des Unternehmers, eines Gehilfen oder anderer Personen in vorhergehenden Gliedern der Vertragskette im Vorfeld des Vertragsschlusses zu berücksichtigen.
Beim Kauf einer Ware mit digitalen Elementen ist nach der Auslegungsregel des § 327a Abs. 3 S. 2 BGB, der über § 475b Abs. 1 S. 2 BGB zur Anwendung gelangt, im Zweifel anzunehmen, dass die Verpflichtung des Unternehmers die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen umfasst – womit "künstliche Vertragsaufspaltungen, Umgehungen und Unsicherheit über den Umgang der vertraglichen Verpflichtungen sowohl bei den Unternehmern als auch bei den Verbrauchern vermieden werden" sollen (RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 31).