1. Grundlagen
Obwohl Art. 10 Abs. 5 S. 1 WKRL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, die Haftung des Verkäufers durch eine Verjährungsfrist zu begrenzen, ohne zusätzlich oder allein eine Gewährleistungsfrist vorzusehen, hat der deutsche Gesetzgeber zur Wahrung der Rechtskontinuität und einer einheitlichen Dogmatik am Verzicht auf eine Gewährleistungsfrist festgehalten: Die Haftung des Unternehmers ist zeitlich allein durch eine Verjährungsfrist begrenzt (RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 39).
Die WKRL gibt eine Haftungsdauer von mindestens zwei Jahren vor. Dem hingegen besteht keine bestimmte Regelung zur Haftungsdauer des Unternehmers für Mängel der digitalen Elemente – die Dauer der Aktualisierungsverpflichtung bestimmt sich entweder nach einer Parteivereinbarung (§ 475b Abs. 3 BGB) oder nach der berechtigten Erwartung des Käufers (§ 475b Abs. 4 BGB), für die Dauer der Aktualisierungsverpflichtung bzw. die Haftung für sonstige Mängel für dauerhaft bereitgestellte digitale Elemente ist nach § 475c Abs. 2 BGB gleichermaßen die Parteivereinbarung zugrunde zu legen. Andererseits verbietet Art. 10 Abs. 5 S. 2 WKRL den qua Richtlinie vorgegebenen Haftungszeitraum durch eine Verjährungsfrist zu verkürzen (RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 39). Daher normiert die Sonderregelung des § 475e BGB den Verjährungsbeginn (abweichend von § 438 BGB).
2. Ablaufhemmung bei dauerhafter Bereitstellung digitaler Elemente
Im Fall der dauerhaften Bereitstellung digitaler Elemente nach § 475c Abs. 1 S. 1 BGB verjähren Ansprüche wegen eines Mangels an den digitalen Elementen gem. § 475e Abs. 1 BGB – abweichend von § 438 Abs. 2 BGB – nach der zweijährigen Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums.
Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht i.S.v. § 475b Abs. 3 oder 4 BGB verjähren gem. § 475e Abs. 2 BGB nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht.
3. Allgemeine Ablaufhemmung
Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt (i.S.v. "offenbar geworden", unter II.1), so tritt die Verjährung nach § 475e Abs. 3 BGB (in Ergänzung von § 438 Abs. 3 BGB und in Umsetzung von Art. 10 Abs. 5 S. 2 WKRL) nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein (Ablaufhemmung), in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat (Möglichkeit einer effektiven Geltendmachung von erst gegen Ende der Verjährungsfrist offenbar gewordenen Mängeln). § 475e Abs. 3 BGB erfasst sowohl Mängel der Ware als auch solche von deren digitalen Elementen, wobei die Regelung für Letztere aber im Hinblick auf § 475e Abs. 1 und 2 BGB nur Bedeutung erlangt, wenn "keine dauerhafte Bereitstellung geschuldet wird" (Lorenz NJW 2021, 2065, 2071).
4. Ablaufhemmung bei Nacherfüllung
Hat der Verbraucher zur Nacherfüllung (was sich an der subjektiven Zielsetzung des Verbrauchers orientieren soll, RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 41: zur Beseitigung eines geltend gemachten Mangels, weshalb nicht entgegenstehen soll, "dass der Unternehmer erklärt, er führe eine Reparatur ‘nur aus Kulanz’ oder ‘ohne Anerkennung einer Rechtspflicht’" durch) oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie (da Ansprüche aus Nacherfüllung und Garantie sich zeitlich und inhaltlich überschneiden können, wodurch dem Verbraucher keine Nachteile daraus entstehen sollen, dass er anstelle Gewährleistung Garantie beansprucht) die Ware dem Unternehmer oder auf Veranlassung des Unternehmers einem Dritten übergeben, so tritt nach § 475e Abs. 4 BGB im Interesse der Rechtssicherheit (und im Unterschied zu § 203 bzw. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ohne Würdigung der Umstände des konkret in Rede stehenden Einzelfalls, RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 41) die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels einheitlich nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein (Ablaufhemmung), in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde (Auswirkung einer Nacherfüllung auf den Lauf der Verjährungsfrist). Damit soll dem Verbraucher ausreichend Zeit verbleiben, um die Ware nach dem Rückerhalt zu überprüfen.
Kulante Unternehmen werden nach Ansicht des Gesetzgebers dadurch nicht benachteiligt: "Denn den Unternehmer, der tatsächlich eine Reparatur aus Kulanz durchführt, ohne dass der Verbraucher einen Nacherfüllungsanspruch hätte, betrifft die Regelung ... mangels Bestehens von Gewährleistungsrechten gar nicht. Der Unternehmer hingegen, der bei bestehenden Gewährleistungsrechten seine Einstandspflicht leugnet und eine Reparatur aus Kulanz vorgibt, ist nicht schutzwürdig" (RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 41). Der Umstand der Übergabe (an den Unternehmer bzw. auf dessen Veranlassung an einen Dritten) stellt sicher, dass dieser "in jedem Fall Kenntnis von den die Ablaufhemmung begründenden Umständen erhält" (RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 41).
Die Ablaufhemmung – beschränkt auf Ansprüche wegen des geltend gemachten Mangels (mit korrespondierender Unanwendbarkeit, "wenn sich während der Ablaufhemmung ein anderer als der geltend gemachte Mangel zeigt", RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 42, womit ei...